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Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek (BEMK Rechtsanwälte)

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Anlagegenossenschaften – was Anleger bei einem Ausstieg wissen müssen

diebewertung.de: Herr Blazek, viele Menschen treten heute Genossenschaften nicht unbedingt bei, weil sie das klassische genossenschaftliche Prinzip schätzen, sondern eher aus Anlagegründen. Warum ist das problematisch?

Blazek: Weil sich diese sogenannten Anlagegenossenschaften eben nicht so sehr an den ursprünglichen Fördergedanken halten. Viele Anleger wollen – zumindest schwerpunktmäßig – schlicht Geld anlegen oder Steuern sparen. Wenn es dann später Probleme gibt und sie wieder raus möchten, wird’s juristisch schwierig.

diebewertung.de: Was passiert denn konkret, wenn jemand sagt: „Ich will mein Geld zurück“?

Blazek: Genau das ist das Problem: In aller Regel gibt es keine Rückzahlung der Einlagen. Der Bundesgerichtshof hat hier klare Grundsätze entwickelt – die berühmten Grundsätze zum fehlerhaften Gesellschaftsbeitritt. Danach wird nicht rückabgewickelt, sondern man macht eine sogenannte gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung bzw. genossenschaftsrechtliche nach § 73 GenG. Das bedeutet: Es wird eine Abrechnung gemacht, und am Ende kann für den Anleger ein Guthaben stehen – oder auch ein Verlust.

diebewertung.de: Klingt nach einem echten Risiko für Anleger. Gibt es trotzdem Chancen auf Schadensersatz?

Blazek: Das ist ein heikler Punkt. Bei anderen Gesellschaftsformen hat der BGH anerkannt, dass Anleger die Differenz zwischen Einlage und Abfindung ersetzt bekommen können, was aber auch mit bestimmten Problemen verbunden ist. Bei Genossenschaften ist das aber noch eine ziemliche Grauzone.

diebewertung.de: Gibt es Ausnahmen von den Grundsätzen zum fehlerhaften Gesellschaftsbeitritt?

Blazek: Bei Anlagegenossenschaften sind vor allem zwei denkbar. Erstens: Schadensersatz nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Wenn eine Genossenschaft zum Beispiel keinen ordentlichen Verkaufsprospekt vorlegt, obwohl sie dazu verpflichtet wäre, kann sie haftbar sein. Das hat das OLG Hamm bestätigt. Zweitens: Formfehler beim Beitritt. Der Beitritt muss in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erfolgen. Passiert das nicht, liegt gar kein wirksamer Beitritt vor – dann aber greifen auch die Grundsätze zum fehlerhaften Gesellschaftsbeitritt nicht. Dann könnte der Anleger durchaus sein Geld voll zurückverlangen.

diebewertung.de: Formfehler – was heißt das konkret bei Genossenschaften?

Blazek: Gelegentlich bieten Genossenschaften Online-Beitritte an. Das war zum Beispiel bei der insolventen WSW Sachwerte eG so. Aber ein einfacher Klick reicht nicht. Ohne handschriftliche Unterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur erfolgte der Beitritt zu einer Genossenschaft jedenfalls bis zum 1. Januar 2025 nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise, siehe § 15 Abs. 1 GenG a.F. Seitdem reicht aber die Textform, sofern die Satzung nicht Schriftform vorschreibt.

diebewertung.de: Also zusammengefasst: Rückforderung fast unmöglich, außer man stößt auf Formfehler oder Prospektmängel?

Blazek: So kann man es sagen. Anleger sollten ihre Unterlagen also sehr genau prüfen lassen. Gerade bei Online-Beitritten oder unvollständigen Prospekten kann sich eine Rückforderung lohnen.

diebewertung.de: Ihr Rat an betroffene Anleger?

Blazek: Nicht vorschnell aufgeben. Auch wenn die Grundsätze streng sind – die Ausnahmen sind real und können im Einzelfall sehr wertvoll sein. In dieser speziellen Materie empfiehlt sich ein Fachmann, und das ist nicht zwangsläufig der Kapitalmarktrechtler. Es geht hierbei um spezielles Gesellschaftsrecht.

 

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