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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zur Plattform WIWIN

Visiventas (CC0), Pixabay
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Redaktion: Frau Bontschev, WIWIN wirbt mit dem Slogan „Mit deinem Kapital Gutes bewirken“. Was halten Sie als Juristin von solchen Plattformen, die nachhaltige Crowdinvesting-Projekte für private Anleger anbieten?

RAin Kerstin Bontschev: Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass sich immer mehr Menschen für nachhaltige Geldanlagen interessieren. Der Wunsch, mit dem eigenen Kapital sowohl Rendite zu erzielen als auch gesellschaftlich etwas Positives zu bewirken, ist ein zeitgemäßer Ansatz. Aber: Als Juristin sehe ich vor allem die rechtliche und finanzielle Realität hinter solchen Angeboten – und die beinhaltet erhebliche Risiken, insbesondere beim Crowdinvesting.

Redaktion: Was genau macht Crowdinvesting aus juristischer Sicht so riskant?

Bontschev: Crowdinvesting ist – anders als viele meinen – keine klassische Geldanlage mit Sicherheiten. Investoren erwerben meist sogenannte Nachrangdarlehen oder stille Beteiligungen. Das bedeutet: Im Fall einer Insolvenz werden sie nachrangig behandelt. Sie sind also so gut wie die Letzten, die überhaupt noch Geld sehen. Ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals ist keine Ausnahme, sondern ein reales Risiko. Darauf weist WIWIN in seinem rechtlichen Hinweis zwar hin, aber vielen Anlegern ist nicht klar, was das konkret bedeutet: Sie können ihr gesamtes Investment verlieren.

Redaktion: Ist WIWIN in der Pflicht, die Anleger ausreichend zu informieren?

Bontschev: Ja, aber mit Einschränkungen. WIWIN ist laut Website ein „vertraglich gebundener Vermittler“ und führt keine Anlageberatung im Sinne des Kreditwesengesetzes durch. Das heißt: Sie dürfen Informationen liefern, aber keine Empfehlung, ob eine bestimmte Geldanlage zu einem individuellen Anleger passt. Die Verantwortung für die Entscheidung liegt allein beim Anleger. Das wird in der Praxis oft unterschätzt – viele investieren mit einem Bauchgefühl oder weil das Projekt ein gutes Image hat.

Redaktion: Gibt es typische Missverständnisse bei solchen nachhaltigen Angeboten?

Bontschev: Ja, mehrere. Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Gleichsetzung von Nachhaltigkeit mit Sicherheit. Nur weil ein Projekt ökologisch sinnvoll erscheint, heißt das nicht, dass es wirtschaftlich stabil ist. Auch der Begriff „sinnvoll investieren“ suggeriert oft ein Maß an Kontrolle oder Einfluss, den Privatanleger in Wahrheit nicht haben. Zudem suggeriert das Marketing häufig eine Nähe zu sozialen Zielen – dabei handelt es sich um spekulative Beteiligungen an Unternehmen, die Gewinne erwirtschaften müssen, um überhaupt Zinsen oder Rückzahlungen leisten zu können.

Redaktion: Was würden Sie interessierten Anlegern raten, die z. B. bei WIWIN investieren möchten?

Bontschev: Informieren Sie sich sehr gründlich – nicht nur über das Projekt, sondern auch über die juristische Struktur der Anlageform. Lesen Sie den Beteiligungsvertrag, das Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) und die Risikohinweise aufmerksam durch. Und fragen Sie sich ehrlich: Kann ich es mir leisten, das Geld zu verlieren? Denn beim Crowdinvesting gilt: Es handelt sich nicht um ein Sparkonto, sondern um Wagniskapital. Wer sich dessen bewusst ist und diversifiziert, kann mit einem Crowdinvestment durchaus auch positive Erfahrungen machen – aber eben nur mit Augenmaß.

Redaktion: Vielen Dank für das aufklärende Gespräch, Frau Bontschev.

Bontschev: Sehr gerne. Es ist mir ein Anliegen, dass Anleger wissen, worauf sie sich einlassen – gerade wenn es um vermeintlich „gute“ Investments geht.


Fazit für Anleger:
Crowdinvesting bei Plattformen wie WIWIN kann helfen, nachhaltige Projekte zu fördern. Doch rechtlich betrachtet handelt es sich um Hochrisiko-Investments. Eine genaue Prüfung, klare Risikoeinschätzung und ggf. professionelle Beratung sind essenziell – denn das Versprechen vom „doppelten Impact“ ersetzt keine Verlustabsicherung.

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