Redaktion: Frau Bontschev, Immobilien gelten seit jeher als „sicherer Hafen“ für Anleger. Doch viele Aspekte haben sich verändert – ist die Immobilie noch ein solides Investment?
Kerstin Bontschev: Grundsätzlich ja – aber mit einem großen Aber. Wer heute in Immobilien investieren will, muss deutlich sorgfältiger prüfen als noch vor wenigen Jahren. Die Zinsen sind gestiegen, Bau- und Sanierungskosten explodieren, und der Markt hat sich differenziert. Es gibt viele Fallstricke – rechtlicher, finanzieller und praktischer Natur. Wer das übersieht, riskiert eine Fehlinvestition.
Redaktion: Die Volksbank und Sparkasse betonen in dem Artikel, dass energetisch sanierte Immobilien und zentrale Lagen besonders stabil seien. Teilen Sie diese Einschätzung?
Bontschev: Nur teilweise. Natürlich ist die Lage weiterhin entscheidend. Und ein guter energetischer Standard schützt vor steigenden Nebenkosten und zukünftigen Sanierungspflichten. Aber: Viele vermeintlich moderne Immobilien haben verborgene Mängel oder wurden mit zu optimistischen Annahmen vermarktet. Hier drohen hohe Folgekosten – etwa durch strengere Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes oder EU-Vorgaben zu Energieeffizienz.
Redaktion: Fördermittel und steuerliche Anreize sollen helfen – sind diese zuverlässig planbar?
Bontschev: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Förderungen von KfW oder BAFA können helfen, aber sie sind oft an enge Bedingungen und Fristen geknüpft. Und politisch ist nichts in Stein gemeißelt – gerade im Bereich der Gebäudeförderung erleben wir ständig Kurswechsel. Wer Förderungen fest in seine Finanzplanung einrechnet, geht ein Risiko ein. Ich rate, solche Mittel nur als Bonus einzuplanen – nicht als Fundament der Kalkulation.
Redaktion: Was raten Sie konkret einem privaten Anleger, der eine Eigentumswohnung zur Vermietung kaufen möchte?
Bontschev: Erstens: Lassen Sie den Kaufvertrag und das Objekt juristisch und technisch prüfen – auch bei Neubauten. Zweitens: Kalkulieren Sie konservativ. Eine Mietrendite von unter 4 % ist meist zu wenig, wenn man Rücklagen, Mietausfall und Sanierungskosten berücksichtigt. Drittens: Planen Sie flexibel. Wer später Kapital für Pflege oder andere Ausgaben benötigt, für den kann eine Immobilie zur Last werden – besonders, wenn sie schwer veräußerbar oder belastet ist.
Redaktion: Im Artikel wird auch die Eigennutzung im Alter als Argument für den Immobilienkauf genannt. Ist das rechtlich unproblematisch?
Bontschev: Grundsätzlich ja – aber es gibt Stolperfallen. Wer steuerliche Vorteile wie AfA oder vermietungsbedingte Werbungskosten nutzt, sollte sich bewusst sein, dass eine spätere Eigennutzung unter Umständen steuerliche Rückwirkungen haben kann. Auch im Erbfall oder bei einer Pflegebedürftigkeit kann eine Immobilie schnell zu Streit und Problemen führen – etwa wenn mehrere Erben involviert sind oder das Sozialamt auf Vermögen zugreift.
Redaktion: Wo sehen Sie aktuell die größten Risiken für Immobilienanleger?
Bontschev: Ganz klar in unrealistischen Erwartungen. Viele Anleger glauben, eine Immobilie sei immer wertstabil oder gewinnbringend – das stimmt heute nicht mehr. Auch die Annahme, man könne eine Immobilie jederzeit verkaufen, ist gefährlich. In ländlichen Regionen oder bei schlecht sanierten Objekten sehen wir bereits jetzt Preisrückgänge. Wer auf schnelle Liquidität angewiesen ist, wird enttäuscht. Deshalb mein Rat: Wer investiert, sollte das langfristig tun – und mit kühlem Kopf, nicht aus Steuergründen oder Bauchgefühl.
Redaktion: Vielen Dank, Frau Bontschev, für diese klaren Worte.
Bontschev: Sehr gerne – und mein Appell zum Schluss: Immobilien können sinnvoll sein – aber bitte nicht ohne juristische, steuerliche und wirtschaftliche Beratung. Nur so schützt man sich vor bösen Überraschungen.
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