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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev über das Crowdinvesting „Hainberg Quartier Nürnberg

ghasoub (CC0), Pixabay
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„Nachhaltig investieren? Ja. Aber bitte mit offenen Augen.“

Frage: Frau Bontschev, immer mehr Anleger interessieren sich für nachhaltige Immobilienprojekte wie das „Hainberg Quartier Nürnberg“. Wie beurteilen Sie dieses wachsende Interesse an grünen Investments?

Kerstin Bontschev:
Das ist grundsätzlich ein erfreulicher Trend. Viele Menschen wollen ihr Geld nicht mehr in undurchsichtige Finanzprodukte stecken, sondern in Projekte mit erkennbarem Mehrwert für Klima, Umwelt oder soziale Aspekte. Das „grüne Gewissen“ ist also durchaus eine legitime Motivation.
Wichtig ist nur: Ein nachhaltiger Zweck macht ein Investment nicht sicherer. Es bleibt eine wirtschaftliche Anlage mit typischen Risiken – bis hin zum Totalverlust.

Frage: Das Projekt wirbt mit 7,50 % Zinsen pro Jahr plus Bonus. Sind solche Renditen realistisch?

Bontschev:
Realistisch ja – sicher nein.
Renditen zwischen 7 und 8 Prozent signalisieren immer, dass der Anleger unternehmerisches Risiko trägt. Ein digital ausgegebenes Wertpapier eines Immobilienentwicklers ist kein Sparbuch, keine Festgeldanlage und auch kein Staatsanleihe-Ersatz. Die hohe Verzinsung ist der Preis für das Risiko, das der Investor übernimmt.

Frage: Die Projektbeschreibung klingt beeindruckend: BEG-55-EE-Effizienzhaus, Wärmepumpe, Photovoltaik, 24 geförderte Wohnungen, langfristiger Mietvertrag mit tegut. Kann das Anlegern Sicherheit geben?

Bontschev:
Es kann Vertrauen schaffen – aber Sicherheit ist etwas anderes.
Alle diese Punkte sprechen für eine solide Planung. Ein bonitätsstarker Mieter wie die Migros-Tochter tegut ist ein Vorteil. Nachhaltigkeitsstandards wie DGNB-Gold sind positiv.

Trotzdem bleibt entscheidend:

  • Wird rechtzeitig gebaut?
  • Steigen Baukosten weiter?
  • Können Zinsen oder Finanzierungskosten das Projekt belasten?
  • Hält die Projektgesellschaft ihre wirtschaftlichen Prognosen ein?

Solange Anleger diese Fragen nicht geprüft haben, sollten sie keine Entscheidung treffen. Ein grüner Projektrahmen ersetzt keine Risikoanalyse.

Frage: Das Projekt wird mit nachhaltigem Impact beworben und unterstützt laut Anbieter die UN-Nachhaltigkeitsziele 7, 10 und 11. Ist das aus juristischer Sicht relevant?

Bontschev:
Diese Informationen sind ein Zusatznutzen, aber keine rechtliche Sicherheitsgarantie.
Die SDGs zeigen, dass das Projekt gesellschaftlich-politisch gewünscht ist – was gut ist. Aber Anleger dürfen daraus nicht schließen, dass das Investment deshalb weniger riskant wäre. „Nachhaltigkeit“ ist kein Schutzschirm vor wirtschaftlichem Scheitern.

Frage: Für viele Privatanleger besonders interessant: Crowdinvesting ist ab 250 Euro möglich. Senkt das das Risiko?

Bontschev:
Nein, überhaupt nicht.
Es reduziert höchstens den Betrag, den ein einzelner Anleger verlieren kann. Aber wenn das Projekt scheitert, ist auch der 250-Euro Investmentbetrag weg – genauso wie 2.500 oder 25.000 Euro.
Der entscheidende Punkt bleibt: Crowdinvesting ist eine Nachrangfinanzierung. Das heißt: Die Crowd steht im Insolvenzfall praktisch ganz hinten an.

Frage: Der Anbieter weist transparent auf das Totalverlustrisiko hin. Reicht das aus?

Bontschev:
Juristisch muss dieser Hinweis erfolgen – und er ist entscheidend.
Aber viele Anleger überlesen ihn oder interpretieren ihn falsch. Ein klarer Satz dazu:

„Ja, auch ein nachhaltiges Immobilienprojekt mit Wärmepumpe, PV-Anlage und gefördertem Wohnraum kann komplett scheitern.“

Ich habe persönlich kein Problem mit grünen Investments – im Gegenteil. Aber ich habe ein Problem, wenn Anleger glauben, Nachhaltigkeit ersetze wirtschaftliches Denken.

 

Frage: Was wäre Ihr wichtigster Rat an Anleger, die über ein Investment in das Hainberg Quartier Nürnberg nachdenken?

Bontschev:
Drei Dinge:

  1. Verstehen Sie die Struktur.
    Wer ist die Emittentin? Welche Sicherheiten gibt es (Spoiler: in der Regel keine)? Wie sieht die Finanzierung neben der Crowd aus?
  2. Prüfen Sie die Projektrisiken.
    Baukosten, Zeitplan, Genehmigungen, Zinsen, Marktumfeld.
  3. Seien Sie bereit, auch einen Totalverlust zu verkraften.
    Wenn man mit dieser Einstellung investiert – und zusätzlich das Anliegen, nachhaltigen Wohnraum zu fördern –, dann kann ein solches Investment gut passen.

Wer dagegen „sicher“ investieren möchte, sollte die Finger davon lassen.

Frage: Frau Bontschev, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

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