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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: „Ein grünes Gewissen ersetzt keine Risikoprüfung“

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Frage: Frau Bontschev, überall in Deutschland schießen Solaranlagen und Windparks aus dem Boden. Viele Anleger möchten Teil dieser Energiewende sein. Wie bewerten Sie diesen Trend grundsätzlich?

Kerstin Bontschev: Ich finde es absolut positiv, wenn Menschen ihr Geld dort investieren möchten, wo es ökologisch Sinn ergibt. Wir brauchen die Energiewende – und wir brauchen Kapital dafür. Was mich freut: Viele Anleger verfolgen dabei nicht nur Renditeinteressen, sondern tatsächlich ein „grünes Gewissen“. Das ist ein guter Ansatz, denn erneuerbare Energien leisten einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz.

Frage: Die internationale Energieorganisation IRENA meldet Rekordzahlen bei neuen Wind- und Solarkapazitäten. Werden grüne Investments damit automatisch sicherer?

Bontschev: Nein, und das ist ein wichtiger Punkt. Das Marktwachstum zeigt eine starke Nachfrage und eine politische Grundunterstützung. Aber das bedeutet nicht, dass jedes einzelne Projekt sicher ist. Man darf den Makrotrend nicht mit dem Mikroinvestment verwechseln. Eine Windkraftanlage kann gut laufen – oder scheitern. Ein Solarprojekt kann wirtschaftlich solide sein – oder an falschen Prognosen, Pachtverträgen oder Projektierungsfehlern scheitern.

Frage: Viele Anbieter betonen hohe Renditechancen zwischen vier und neun Prozent pro Jahr. Was sagen Sie aus juristischer Sicht dazu?

Bontschev: Rendite ist immer direkt mit Risiko verknüpft. Wer vier bis neun Prozent bekommen möchte, nimmt ein unternehmerisches Risiko auf sich – und dieses Risiko umfasst immer auch den Totalverlust. Das muss Anlegern klar kommuniziert werden. Ich habe kein Problem mit grünen Investments. Aber ich habe ein Problem, wenn diese als „quasi sicher“ verkauft werden. Das ist schlicht falsch und kann rechtlich relevant werden.

Frage: Crowdinvesting-Plattformen ermöglichen schon ab 250 Euro Beteiligungen an Wind- oder Solarparks. Eine gute Einstiegsmöglichkeit?

Bontschev: Grundsätzlich ja – aber auch hier gilt: Kleiner Betrag heißt nicht kleines Risiko. Wenn ein Projekt scheitert, ist das Geld weg, egal ob man 250 Euro oder 25.000 Euro investiert hat. Anleger sollten die selben Fragen stellen wie bei einem großen Investment:

  • Wer betreibt das Projekt?
  • Gibt es geprüfte Unterlagen?
  • Wie solide ist das Geschäftsmodell?
  • Wo entstehen Kosten, und wer verdient zuerst?

Crowdinvesting ist ein niederschwelliger Zugang – aber kein Risikofilter.

Frage: Ein Beispiel: Beim Repowering eines Windparks in Rheinland-Pfalz werden alte Anlagen durch neue ersetzt, der Ertrag soll sich deutlich erhöhen. Klingt attraktiv, oder?

Bontschev: Repowering kann sehr attraktiv sein, weil Standorte und Windgutachten bereits bekannt sind. Aber auch hier gilt: Die rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Grundlagen müssen stimmen. Ohne Gutachten, ohne belastbare Zahlen und ohne nachvollziehbare Betreiberstruktur würde ich kein Investment empfehlen. Ein Gefühl der „grünen Harmonie“ ersetzt keine Faktenprüfung.

Frage: Was möchten Sie Anlegern abschließend mitgeben, die ein „grünes Gewissen Investment“ anstreben?

Bontschev: Ich sage meinen Mandanten immer: Es ist völlig legitim, ökologisch zu investieren. Ich habe überhaupt kein Problem mit nachhaltigen Projekten – im Gegenteil. Aber bitte tun Sie es bewusst.
Wer in erneuerbare Energien investiert, unterstützt die Energiewende – ja.
Aber wer investiert, trägt auch ein unternehmerisches Risiko – bis hin zum Totalverlust.

Wer das akzeptiert und sich vorher gut informiert, kann guten Gewissens investieren.
Wer glaubt, es sei eine Art „grünes Sparbuch“, wird früher oder später enttäusch

 

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