Frage: Frau Bontschev, das OLG Frankfurt hat in einer aktuellen Entscheidung eine teilweise Untersagung der Bildberichterstattung über Boris Becker und seine Ehefrau im Urlaub aufgehoben. Wie bewerten Sie diese Entscheidung aus juristischer Sicht?
Kerstin Bontschev: Zunächst ist positiv hervorzuheben, dass das Oberlandesgericht in seiner differenzierten Entscheidung sehr klar zwischen zwei Situationen unterscheidet: dem privaten Rückzugsraum eines Hotelbalkons – wo Schutz der Privatsphäre eindeutig überwiegt – und dem öffentlichen Raum einer Tankstelle. Es geht um eine wichtige Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit. Die Argumentation ist juristisch sauber.
Frage: Warum wurde das Foto auf dem Hotelbalkon als unzulässig bewertet?
Kerstin Bontschev: Der Balkon gehört, auch wenn er möglicherweise von außen einsehbar ist, zur sogenannten erweiterten Privatsphäre. Wer sich – bekleidet mit einem Bademantel – in einer Urlaubssituation auf dem Hotelzimmer-Balkon aufhält, darf berechtigterweise erwarten, dort unbeobachtet zu bleiben. Das Gericht hat richtigerweise betont, dass es sich hier um eine Situation der Erholung handelt – fernab von Beruf, Öffentlichkeit oder gesellschaftlicher Funktion.
Frage: Und warum ist das Tankstellenfoto nach Ansicht des Gerichts zulässig?
Kerstin Bontschev: Hier befinden sich die abgebildeten Personen im öffentlichen Raum, in einer Alltagssituation – sichtbar für jede vorbeifahrende Person. Zudem steht das Foto im Zusammenhang mit einer gesellschaftlich relevanten Debatte: dem Kontrast zwischen einem laufenden Insolvenzverfahren und einem augenscheinlich luxuriösen Lebensstil. Solche Gegensätze sind legitim Gegenstand öffentlicher Diskussion – und das Bild dient dabei als dokumentarischer Beleg.
Frage: Kritiker werfen Boulevardmedien vor, Prominente auch in Momenten der Entspannung zu „jagen“. Ist das Ihrer Meinung nach zulässig?
Kerstin Bontschev: Nein, nicht uneingeschränkt. Prominente haben, wie jeder andere Mensch auch, ein Recht auf Rückzug und Privatheit. Es ist ein Irrglaube, dass mit dem „Prominentenstatus“ das Persönlichkeitsrecht aufgeweicht wird. Nur wenn das öffentliche Informationsinteresse wirklich überwiegt – und das ist in rein privaten Urlaubsmomenten in der Regel nicht der Fall – kann eine Veröffentlichung gerechtfertigt sein.
Frage: Was raten Sie betroffenen Prominenten oder auch nicht-prominenten Personen, wenn solche Bilder ohne Einwilligung veröffentlicht werden?
Kerstin Bontschev: Dokumentieren Sie den Kontext der Aufnahme möglichst genau – Ort, Zeit, Umstände – und lassen Sie sich rechtlich beraten. In vielen Fällen kann eine einstweilige Verfügung zur Unterlassung erwirkt werden. Auch Schadensersatzansprüche sind möglich. Gerade in sensiblen Situationen – etwa in Urlaub, bei Krankheit oder im Familienkreis – haben Gerichte in den letzten Jahren den Schutz der Privatsphäre deutlich gestärkt.
Frage: Wie bewerten Sie die Erfolgsaussichten einer etwaigen Revision vor dem Bundesgerichtshof?
Kerstin Bontschev: Da die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, bleibt offen, ob eine Revision zugelassen wird. Der Fall bietet inhaltlich interessante Anknüpfungspunkte, insbesondere im Spannungsfeld von öffentlichem Interesse, Pressefreiheit und individuellem Persönlichkeitsschutz. Es könnte durchaus sein, dass der BGH dazu eine grundsätzliche Aussage trifft – auch zur Verhältnismäßigkeit von Bildveröffentlichungen im Kontext wirtschaftlicher Krisen prominenter Personen.
Frage: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bontschev.
Kerstin Bontschev: Gern geschehen.
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