Frau Bontschev, viele Anleger sehen sich nach ihrer Investition in Genussscheine der DEGAG-Gruppe mit erheblichen Verlusten konfrontiert. Was ist hier aus Ihrer Sicht schiefgelaufen?
Bontschev: Leider eine ganze Menge. Die Genussscheine wurden in vielen Fällen als besonders sichere Anlage mit fester Verzinsung angepriesen. Teilweise wurde sogar mit einer sogenannten Patronatserklärung der Muttergesellschaft geworben, die eine Rückzahlung des Kapitals suggerieren sollte. Doch in Wahrheit war diese Erklärung juristisch wertlos, da die angeblich haftende Gesellschaft zum Zeitpunkt der Zeichnung gar nicht mehr existierte. Hier wurde Anlegern eine Sicherheit vorgespiegelt, die objektiv schlicht nicht vorhanden war.
Welche Risiken wurden dabei Ihrer Einschätzung nach verschwiegen?
Bontschev: Die Liste ist lang – und beunruhigend. Anleger wurden oft nicht über die Nachrangigkeit der Genussscheine im Insolvenzfall informiert, ebenso wenig über das Totalverlustrisiko. Auch die sogenannte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre war vielen nicht bekannt – das bedeutet, dass Anleger selbst bei drohender Insolvenz keine rechtliche Handhabe hatten, ihr Geld zurückzufordern. Solche Produkte hätten niemals an sicherheitsorientierte Anleger vermittelt werden dürfen.
Nun ist sogar ein Insolvenzverfahren anhängig. Was bedeutet das konkret für die Anleger?
Bontschev: Viele Anleger haben bereits erlebt, dass die versprochenen Zinszahlungen ausbleiben. Mit der Anmeldung eines Insolvenzverfahrens ist das Risiko zur bitteren Realität geworden: In den meisten Fällen ist das investierte Kapital faktisch verloren. Ohne rechtliche Schritte bleibt den Betroffenen oft nur noch, auf eine geringe Insolvenzquote zu hoffen – falls überhaupt etwas übrig bleibt.
Gibt es denn überhaupt noch Chancen für Anleger, sich zu wehren?
Bontschev: Ja, definitiv. In vielen Fällen bestehen Schadensersatzansprüche gegen Vermittler – und zwar wegen fehlerhafter Beratung. Wenn ein Produkt mit Totalverlustrisiko als „sichere Anlage“ verkauft wird, dann liegt eine klare Pflichtverletzung vor. Grundlage für solche Ansprüche sind unter anderem das Vermögensanlagengesetz, das Kapitalanlagebetrugsrecht (§ 264a StGB) und natürlich die zivilrechtlichen Aufklärungspflichten. Wichtig ist dabei: Es muss konkret geprüft werden, wie beraten wurde und was dem Anleger verschwiegen wurde.
Welche Rolle spielt die Verjährung in diesem Zusammenhang?
Bontschev: Eine entscheidende! Viele Ansprüche drohen zum 31. Dezember 2025 zu verjähren – insbesondere dann, wenn die Zeichnung der Anlage im Jahr 2022 erfolgt ist. Das bedeutet: Wer nicht rechtzeitig handelt, verliert seine Rechte dauerhaft. Es reicht nicht, „mal beim Anwalt nachzufragen“. Um die Verjährung zu stoppen, muss spätestens bis Ende 2025 Klage eingereicht werden. Ich rate daher dringend dazu, jetzt zu handeln und nicht auf die letzten Wochen zu warten.
Was sollten betroffene Anleger konkret tun?
Bontschev: Zuerst: Ruhe bewahren – und dann alle relevanten Unterlagen zusammentragen. Dazu gehören Zeichnungsschein, Beratungsprotokolle, Werbematerialien, E-Mail-Korrespondenz und natürlich auch die vermeintliche Patronatserklärung. Mit diesen Dokumenten kann eine fundierte rechtliche Prüfung erfolgen. In vielen Fällen lassen sich daraus klare Anspruchsgrundlagen ableiten.
Ihr abschließender Rat an betroffene Anlegerinnen und Anleger?
Bontschev: Wer investiert hat und nun finanzielle Einbußen erleidet, sollte die verbleibende Zeit bis Ende 2025 auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen. Die meisten Schadensersatzansprüche kann man nur retten, wenn man jetzt aktiv wird. Eine rechtliche Erstprüfung ist schnell gemacht – und oft der erste Schritt, um den entstandenen Schaden zumindest teilweise zu kompensieren. Wer jetzt abwartet, riskiert den endgültigen Totalverlust.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bontschev.
Hinweis: Betroffene Anleger können sich an spezialisierte Kanzleien wie die von Frau Rechtsanwältin Kerstin Bontschev wenden, um ihre Unterlagen prüfen zu lassen und gegebenenfalls verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten.
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