Frage: Frau Bontschev, das Amtsgericht Hameln hat das Insolvenzverfahren über die DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH eröffnet. Was bedeutet dieser Beschluss konkret?
Bontschev: Mit der Eröffnung des Verfahrens am 22. August 2025 ist rechtlich festgestellt, dass die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Ab sofort übernimmt der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Dr. Rainer Eckert, die Verwaltung und Verwertung des Vermögens. Die bisherigen Geschäftsführer haben in dieser Hinsicht keine Befugnisse mehr. Für die Gläubiger heißt das: Sie müssen ihre Forderungen zentral beim Verwalter anmelden.
Frage: Welche Pflichten und Fristen müssen Gläubiger nun beachten?
Bontschev: Ganz entscheidend ist die Frist zur Forderungsanmeldung bis zum 7. Oktober 2025. Wer seine Ansprüche nicht rechtzeitig anmeldet, riskiert, im Verfahren unberücksichtigt zu bleiben. Zudem müssen Gläubiger mitteilen, falls sie Sicherungsrechte – etwa Hypotheken oder Abtretungen – beanspruchen. Wer das versäumt, kann sogar schadensersatzpflichtig werden. Wichtig ist auch: Zahlungen dürfen nicht mehr an die DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH erfolgen, sondern ausschließlich an den Insolvenzverwalter.
Frage: Am 5. November ist eine Gläubigerversammlung angesetzt. Welche Rolle spielt dieser Termin?
Bontschev: Diese Versammlung ist ein Schlüsselmoment im Verfahren. Der Insolvenzverwalter legt seinen Bericht vor: Wie ist die finanzielle Lage, welche Werte gibt es, wie hoch sind die Forderungen? Außerdem prüfen die Gläubiger die eingereichten Ansprüche und entscheiden über wichtige Weichenstellungen. Das betrifft zum Beispiel die Bestätigung oder Abwahl des Verwalters, die Einsetzung eines Gläubigerausschusses und Fragen zur Fortführung oder Stilllegung des Unternehmens. Auch über besonders bedeutsame Maßnahmen, wie den Verkauf von Immobilien oder Beteiligungen, wird dort gesprochen.
Frage: Zusätzlich hat das Gericht einen Sonderinsolvenzverwalter bestellt. Warum?
Bontschev: Hier geht es um die komplexe Struktur der DEGAG-Gruppe. Rechtsanwalt Manuel Sack wurde eingesetzt, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Er soll Ansprüche der DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH in den Insolvenzverfahren anderer DEGAG-Gesellschaften verfolgen und gleichzeitig prüfen, ob Forderungen anderer Konzerngesellschaften im jetzigen Verfahren überhaupt berechtigt sind. Diese Sonderkonstellation zeigt, wie stark die einzelnen Gesellschaften miteinander verflochten sind – und wie schwierig die Abgrenzung von Forderungen werden kann.
Frage: Was bedeutet diese Entwicklung für die Anleger, die mit DEGAG-Gesellschaften verbunden sind?
Bontschev: Für Anleger ist die Lage ernst. Die Insolvenzeröffnung macht deutlich, dass nicht nur die Holding, sondern auch operative Tochtergesellschaften in Schieflage geraten sind. Das erhöht das Risiko, dass Anlegergelder ganz oder teilweise verloren gehen. Gerade weil die Gruppe über viele Gesellschaften und Projekte verteilt ist, wird es ein sehr unübersichtliches Verfahren. Anleger sollten unbedingt ihre Forderungen anmelden und die Entwicklungen eng verfolgen.
Frage: Welche Szenarien sind nun denkbar?
Bontschev: Im besten Fall können Vermögenswerte – etwa Immobilien – gewinnbringend verwertet werden, sodass die Gläubiger zumindest eine Quote erhalten. Es könnte auch ein Insolvenzplan vorgeschlagen werden, um Teile der Gesellschaft fortzuführen. Im schlechtesten Fall kommt es zur Stilllegung und Liquidation ohne nennenswerte Quote. Das entscheidet sich wesentlich anhand des Berichts, den der Insolvenzverwalter am 5. November vorlegt. Für die Gläubiger ist es daher wichtig, sich aktiv einzubringen und ihre Interessen in der Gläubigerversammlung zu vertreten.
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