Startseite Allgemeines Interview mit Rechtsanwältin Bontschev zur außerordentlichen Hauptversammlung der Palatium Real Estate AG
Allgemeines

Interview mit Rechtsanwältin Bontschev zur außerordentlichen Hauptversammlung der Palatium Real Estate AG

popmelon (CC0), Pixabay
Teilen

Interviewer:
Die Palatium Real Estate AG hat für den 9. Dezember 2025 eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. Eingeladen wurde allerdings nicht vom Vorstand, sondern vom Aktionär Herrn Linus Rinne. Wie ist so etwas rechtlich überhaupt möglich?

Rechtsanwältin Bontschev:
Das ist ein recht bemerkenswerter Vorgang, der im Aktiengesetz aber ausdrücklich vorgesehen ist. Nach § 122 Abs. 3 AktG kann ein Aktionär, der mindestens 5 % des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 500.000 Euro hält, beim zuständigen Landgericht beantragen, zur Einberufung einer Hauptversammlung ermächtigt zu werden, wenn der Vorstand sich weigert, dies zu tun. Das Landgericht Kaiserslautern hat dem Antrag von Herrn Rinne offenbar stattgegeben. Damit durfte er selbst die außerordentliche Hauptversammlung einberufen – ein starkes Signal, dass hier Klärungsbedarf besteht.

Interviewer:
Ein zentraler Punkt auf der Tagesordnung ist die Bestellung eines Sonderprüfers. Was ist der Zweck eines solchen Prüfers?

Rechtsanwältin Bontschev:
Ein Sonderprüfer nach §§ 142 ff. AktG ist ein unabhängiger Experte, der bestimmte Vorgänge im Unternehmen untersucht – etwa bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten oder Missmanagement. In diesem Fall soll geprüft werden, ob es bei einem Immobilienverkauf, den stark gestiegenen Mieterträgen in den Jahren 2021 und 2022, der Bewertung des Aktiendepots oder möglichen Interessenkonflikten und Kursmanipulationen Auffälligkeiten gibt. Ziel ist Transparenz – und der Schutz der Aktionäre.

Interviewer:
Konkret geht es auch um eine „Verdopplung der Mieterträge 2021/2022“. Was könnte dahinterstecken?

Rechtsanwältin Bontschev:
Eine Verdopplung der Mieterträge in so kurzer Zeit ist ungewöhnlich und muss nachvollziehbar erklärt werden. Möglich wäre, dass neue Immobilien erworben oder bestehende Mietverträge angepasst wurden. Wenn jedoch die Zahlen nicht mit den Vermögenswerten oder den Berichten korrespondieren, kann der Verdacht entstehen, dass hier bilanziell nachgeholfen wurde. Genau das soll der Sonderprüfer klären: ob die Zahlen realwirtschaftlich fundiert oder bilanziell beschönigt sind.

Interviewer:
Auch mögliche Kursmanipulationen werden angesprochen. Das klingt schwerwiegend.

Rechtsanwältin Bontschev:
Ja, das wäre ein gravierender Vorwurf. Kursmanipulationen – etwa durch irreführende Mitteilungen, selektive Informationen oder gezielte Käufe – können strafrechtlich relevant sein. Der Sonderprüfer soll objektiv feststellen, ob es dafür Anhaltspunkte gibt. Sollte sich das bestätigen, könnten Aufsichtsbehörden oder Staatsanwaltschaften eingeschaltet werden.

Interviewer:
Ein weiterer Tagesordnungspunkt betrifft die Berichterstattung über die Geschäftsberichte 2021 bis 2023. Ist das üblich bei einer außerordentlichen Hauptversammlung?

Rechtsanwältin Bontschev:
Nein, das ist eher untypisch. Normalerweise werden Geschäftsberichte in der ordentlichen Hauptversammlung behandelt. Dass hier rückwirkend über drei Jahre berichtet werden soll, zeigt, dass Aktionäre erhebliche Informationslücken oder Unklarheiten sehen. Der Antrag zielt klar darauf ab, Transparenz über Ertragsentwicklungen, Vermögensbewertungen und mögliche Interessenkonflikte zu schaffen.

Interviewer:
Was müssen Aktionäre beachten, die an dieser Versammlung teilnehmen wollen?

Rechtsanwältin Bontschev:
Wichtig ist, dass sie sich bis spätestens 3. Dezember 2025 anmelden und den Aktienbesitz zum Stichtag 18. November 2025 nachweisen. Bemerkenswert ist auch, dass laut Einladung alle Vorzugsaktionäre diesmal ein volles Stimmrecht haben – das sieht § 140 Abs. 2 AktG so vor, wenn es um bestimmte Themen geht. Wer nicht persönlich teilnehmen kann, sollte sein Stimmrecht durch eine schriftliche Vollmacht an einen Vertreter übertragen.

Interviewer:
Sehen Sie in dieser Versammlung ein Anzeichen für tiefere Konflikte innerhalb der Gesellschaft?

Rechtsanwältin Bontschev:
Ja, eindeutig. Wenn ein Aktionär gerichtlich die Einberufung erzwingen muss, ist das Ausdruck eines massiven Vertrauensbruchs zwischen Aktionären und Unternehmensleitung. Die beantragte Sonderprüfung ist daher nicht nur juristisch, sondern auch symbolisch bedeutsam – sie steht für das Ringen um Transparenz und Kontrolle innerhalb der Gesellschaft.

Interviewer:
Was könnte passieren, wenn die Sonderprüfung tatsächlich Unregelmäßigkeiten bestätigt?

Rechtsanwältin Bontschev:
Dann drohen erhebliche Konsequenzen – von zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen bis hin zu strafrechtlichen Ermittlungen. Aber selbst wenn sich keine Verstöße bestätigen, kann die Sonderprüfung helfen, Vertrauen wiederherzustellen, sofern ihre Ergebnisse offen und nachvollziehbar kommuniziert werden.

Interviewer:
Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser Hauptversammlung für die Zukunft der Palatium Real Estate AG ein?

Rechtsanwältin Bontschev:
Sie ist von zentraler Bedeutung. Der Ausgang wird zeigen, ob die Aktionäre geschlossen Aufklärung fordern oder dem bisherigen Management weiterhin vertrauen. Für die Außendarstellung und Glaubwürdigkeit der Gesellschaft ist diese Versammlung ein entscheidender Moment.

Interviewer:
Vielen Dank, Frau Bontschev, für Ihre ausführlichen Einschätzungen.

Rechtsanwältin Bontschev:
Sehr gerne. Ich hoffe, dass die Hauptversammlung sachlich und im Interesse der Aktionäre verläuft – mit dem Ziel, Vertrauen und Transparenz wieder zu stärken.

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

TGI AG die Warnung der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein gibt es immer noch

Über das Wochenende haben wir einige Nachfragen erhalten – insbesondere von TGI-Partnern...

Allgemeines

Eigeninsolvenzen aus dem Dezember 2025

23.12.2025 IN 108/15 Meiningen Agrargenossenschaft Werragrund e.G. Fambach Jena – Handels-, Genossenschafts-...

Allgemeines

Österreich deckelt Preiserhöhungen bei Sprit – Vorbild für Deutschland?

In Österreich dürfen Preiserhöhungen für Treibstoffe auch in den kommenden drei Jahren...

Allgemeines

Russlands Industrie im Sinkflug: Jetzt wird sogar das Schrumpfen zur Routine

Na das sind doch mal erbauliche Wirtschaftsnews aus Moskau: Die russische Industrie...