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Interview mit RA Daniel Blazek: „Indemo wirbt mit Seriosität – aber transportiert ein riskantes Missverständnis“

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Redaktion: Herr Blazek, die Investmentplattform Indemo lockt mit 5 % Sofort-Cashback, angeblichen EU-Zulassungen, Schutz über das Anlegerentschädigungssystem und Renditen von über 15 %. Klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Was sagen Sie als Kapitalmarktjurist dazu?

RA Daniel Blazek: Ganz ehrlich: Bei so einer geballten Kombination aus hohen Renditen, Sofortboni und angeblicher Sicherheit durch Aufsichtsbehörden schrillen bei mir alle Alarmglocken. Hier wird ein gefährlicher Eindruck von Seriosität durch Regulierung erzeugt, der mit der tatsächlichen Sicherheit für den Anleger nichts zu tun hat.

🛑 „Wer mit der BaFin wirbt, will Vertrauen erzeugen – aber das ist kein Gütesiegel“

Redaktion: Indemo erwähnt prominent, dass man durch die BaFin in Deutschland und viele weitere europäische Behörden „zugelassen“ sei. Was steckt dahinter?

Blazek: Diese Formulierung ist hochgradig irreführend.
Die Plattform ist nicht von der BaFin lizenziert, sondern in Lettland registriert und untersteht dort der Finanzaufsicht. Dass die BaFin aufgelistet wird, bedeutet nur, dass Indemo grenzüberschreitend tätig sein darf – nicht, dass die Behörde das Geschäftsmodell geprüft oder abgesegnet hätte.

Wer mit dem Namen der BaFin oder anderen EU-Aufsichten wirbt, ohne das korrekt einzuordnen, betreibt meiner Meinung nach eine Form der Grauzonenwerbung, die die Seriosität künstlich aufwerten soll.

💰 „Cashback beim Investieren? Das ist Marketing, kein Bonus – und oft gefährlich“

Redaktion: Auf der Startseite prangt ein großer Banner: „Bis zu 5 % Sofort-Cashback – nur bis 30. November 2025“. Was halten Sie davon?

Blazek: Das ist ein klassischer Verkaufshebel.
Solche Sofortboni bei Kapitalanlagen sind ein Marketinginstrument aus der FinTech-Ecke – aber bei Finanzprodukten höchst problematisch. Anleger sollen mit einem vermeintlichen Bonus gelockt werden, der die tatsächlichen Risiken der Investition verdeckt.

Man fühlt sich wie beim Online-Shopping – aber hier geht es um hochriskante Kreditforderungen mit Immobilienbezug, nicht um Rabattcodes.


📉 „15,1 % Rendite – aber nur unter Idealbedingungen“

Redaktion: Indemo verspricht „15,1 % erwartete Jahresrendite“ für Investitionen in sogenannte „diskontierte Schuldverschreibungen“. Ist das realistisch?

Blazek: Nein – zumindest nicht in der dargestellten Form.
Die genannte Rendite basiert auf einem sehr optimistischen Szenario: 90 % der ausgefallenen Kreditforderungen sollen innerhalb von 18 Monaten erfolgreich durchgesetzt werden.

Solche Projekte sind per Definition spekulativ. Es handelt sich um notleidende Kredite (NPLs), bei denen oft unklar ist, ob sie überhaupt realisiert werden können. Solche Investments gehören ins Hochrisikosegment – und nicht als „passives Einkommen für alle“ vermarktet.

🧾 „Die Anlegerentschädigung schützt nicht vor Verlusten – das wird oft missverstanden“

Redaktion: Indemo wirbt mit Schutz durch die EU-Anlegerentschädigung bis zu 20.000 €. Gibt das nicht Sicherheit?

Blazek: Das ist eine der am häufigsten falsch verstandenen Aussagen im grauen Kapitalmarkt.
Dieser Schutz greift nur, wenn das Unternehmen die Kundengelder oder Finanzinstrumente nicht herausgeben kann, etwa bei Betrug oder Insolvenz.

Nicht geschützt sind:

  • Wertverluste

  • fehlgeschlagene Investments

  • Projekt- oder Immobilienrisiken

Viele Anleger glauben fälschlich, sie hätten damit eine Art Einlagensicherung. Das stimmt nicht – und das nutzen Anbieter bewusst aus, um Vertrauen zu erzeugen.

⚖️ „Diese Werbung bewegt sich gefährlich nahe an der Irreführung“

Redaktion: Wie ordnen Sie die Gesamtdarstellung der Plattform rechtlich ein?

Blazek: Ich sehe hier eine Grenzüberschreitung zwischen aggressivem Marketing und rechtlich irreführender Werbung.
Die Kombination aus Cashback-Aktion, unvollständiger Darstellung der Aufsichtsrollen, optimistischen Renditeaussichten und schwach gekennzeichneten Risiken kann nach § 5 UWG als irreführend gelten.

Das betrifft insbesondere auch den Hinweis auf „EU-reguliertes Wertpapierinstitut“: Das klingt nach besonderer Sicherheit, ist aber in Wahrheit nur ein technischer Rechtsstatus ohne qualitative Aussage.

„Investments wie diese sind nicht per se unseriös – aber die Werbung ist es oft“

Redaktion: Ihr Fazit?

Blazek: Plattformen wie Indemo operieren in einem legalen Graubereich. Die Produkte sind hochriskant, aber nicht verboten. Entscheidend ist, wie sie beworben werden – und hier sehe ich klare Defizite.

Wer mit Sicherheit wirbt, muss sie auch bieten. Und wer mit der BaFin auf Kundenfang geht, sollte offenlegen, was das tatsächlich bedeutet – und was nicht.

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