Redaktion: Herr Blazek, am 29. Juli 2025 verhandelt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Musterfeststellungsklage zu den umstrittenen Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen. Wie bewerten Sie die Bedeutung dieses Verfahrens?
RA Daniel Blazek:
Die Bedeutung ist enorm. Es geht hier um sehr grundsätzliche Fragen: Wie dürfen Banken bei langlaufenden Prämiensparverträgen variable Zinsen anpassen? Welche Rolle spielt die Vertragsgestaltung? Und vor allem: Wie weit reicht der Anspruch auf Nachzahlung, also wie wirkt sich die Verjährung aus? Die Entscheidung wird auf viele ähnliche Altverträge übertragbar sein – bundesweit könnten Hunderttausende betroffen sein, wenn nicht Millionen.
Redaktion: Der Musterkläger – ein Verbraucherschutzverband – wirft der beklagten Sparkasse vor, die Zinsen über Jahre zu niedrig angesetzt zu haben. Was ist daran juristisch problematisch?
RA Blazek:
Das zentrale Problem liegt in den fehlenden oder unklaren Klauseln zur Zinsanpassung in den Vertragsformularen. Die Institute haben die Zinssätze einseitig nach unten angepasst, ohne dass im Vertrag klar geregelt ist, wie und auf welcher Basis. Die Rechtsprechung verlangt bei solchen Verträgen Transparenz. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Die Kunden konnten oft nicht nachvollziehen, wie ihre Zinsen zustande kamen – und ob sie korrekt waren.
Redaktion: Das Vorgericht hat bereits gewisse Maßstäbe für die Zinsberechnung festgelegt. Was ist daran strittig?
RA Blazek:
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat je nach Abschlussdatum der Sparverträge unterschiedliche Referenzzinssätze festgelegt – zum Beispiel Umlaufrenditen für Bundeswertpapiere mit bestimmten Laufzeiten. Der Musterkläger will aber einen einheitlichen Referenzzins über den gesamten Zeitraum. Das ist nicht nur eine juristische, sondern auch eine mathematische Frage mit erheblichem Einfluss auf mögliche Nachzahlungen.
Redaktion: Ein anderer Schwerpunkt liegt auf der Frage der Verjährung. Was ist hier entscheidend?
RA Blazek:
Die Klägerseite argumentiert, dass die Verjährung erst mit der Beendigung des Sparvertrags zu laufen beginnt. Das ist deswegen so wichtig, weil die meisten Kunden die Zinsen über Jahre hinweg kommentarlos hingenommen haben – oft aus Unwissen. Wenn man der Sparkasse folgt, wären viele Ansprüche längst verjährt. Der BGH muss also klären, ob und wann Kunden mit einer Zinsnachforderung rechnen konnten – das hat auch eine verbraucherschutzrechtliche Komponente.
Redaktion: Auch die Kündigungsmöglichkeiten der Sparkasse stehen auf dem Prüfstand – insbesondere bei sehr lang laufenden Verträgen.
RA Blazek:
Richtig. Einige Verträge sahen eine Laufzeit von 1.188 Monaten – also 99 Jahren – vor. Die Frage ist: Kann eine Sparkasse solche Verträge ordentlich kündigen, obwohl der Kunde mit einer jahrzehntelangen Bindung kalkuliert hat? Das Urteil des Vorgerichts war hier eindeutig: Keine Kündigung vor Ablauf, wenn es nicht im Einzelfall anders vereinbart wurde. Das könnte Banken teuer zu stehen kommen.
Redaktion: Was erwarten Sie vom BGH – und welche Folgen hätte ein verbraucherfreundliches Urteil?
RA Blazek:
Ich erwarte, dass der BGH viele Punkte des Vorgerichts bestätigen wird – vor allem im Hinblick auf die Intransparenz der Zinsanpassungsklauseln. Die Verjährung könnte differenziert betrachtet werden – je nachdem, wann ein Kunde hätte erkennen können, dass Zinsen falsch berechnet wurden. Sollte der BGH den Klägern weitgehend Recht geben, wäre das ein Signalurteil mit großer finanzieller Tragweite. Sparkassen und andere Institute müssten sich auf Rückzahlungen in erheblichem Umfang einstellen.
Redaktion: Herr Blazek, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
RA Daniel Blazek:
Gerne. Wir dürfen gespannt sein, wie der BGH die Linie zwischen Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz zieht.
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