Redaktion: Herr Blazel, der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Netzbetreiber auch für rein netzgekoppelte Batteriespeicher einen Baukostenzuschuss erheben dürfen. Wie bewerten Sie dieses Urteil?
Daniel Blazel: Das Urteil ist ein wichtiger Präzedenzfall, weil es zum ersten Mal höchstrichterlich klärt, dass Batteriespeicher bei Netzanschlüssen wie Letztverbraucher behandelt werden dürfen – jedenfalls im Hinblick auf den Baukostenzuschuss. Das ist für Netzbetreiber eine gute Nachricht, für Betreiber von Speichern eher eine bittere Pille. Das Gericht sagt im Kern: Wer das Netz nutzt – auch nur zum Be- und Entladen – muss sich an den Kosten beteiligen.
Redaktion: Aber Speicheranlagen sind doch technisch und funktional etwas völlig anderes als normale Verbraucher, oder?
Blazel: Genau – und das hat auch der BGH anerkannt. Speicher entnehmen Strom nicht zum Verbrauch, sondern speisen ihn später wieder ein. Sie können auch netzdienlich wirken, zum Beispiel zur Glättung von Lastspitzen. Trotzdem sagt der BGH: Diese Unterschiede rechtfertigen keine Sonderbehandlung, zumindest nicht bei der Anschlusskostenverteilung. Es geht um Planungssicherheit für Netzbetreiber – und die dürfen auf standardisierte, diskriminierungsfreie Modelle setzen, wie das Leistungspreismodell der Bundesnetzagentur.
Redaktion: Die Speicherbetreiber hatten sich auf EU-Recht berufen – etwa darauf, dass Speicher nicht diskriminiert oder behindert werden sollen. Ist das durch das Urteil nicht in Frage gestellt?
Blazel: Interessanter Punkt. Der BGH hat die europarechtlichen Regelungen nicht ignoriert, aber eingeordnet. Die entsprechenden EU-Richtlinien und Verordnungen – etwa die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie – formulieren Zielsetzungen, etwa die Erleichterung von Speicheranschlüssen. Aber diese sind nicht absolut. Der BGH sieht hier einen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten – besonders, wenn es darum geht, Verbraucher nicht übermäßig zu belasten. Speicher werden bereits durch Netzentgeltbefreiungen und steuerliche Privilegien gefördert. Eine zusätzliche Freistellung von Baukostenzuschüssen sieht der BGH daher als nicht zwingend geboten an.
Redaktion: Welche Folgen hat das Urteil für Projektierer und Investoren im Speichermarkt?
Blazel: Es gibt Rechtssicherheit, aber auch eine gewisse Ernüchterung. Speicherbetreiber müssen künftig mit Anschlusskosten rechnen, die sich nach der geplanten Leistung richten – selbst wenn sie das Netz später entlasten. Das kann gerade bei großen Speichern ein nicht unerheblicher Kostenfaktor werden. Investoren werden sich das genau anschauen müssen.
Redaktion: Was raten Sie Speicherbetreibern, die nun vor der Frage stehen, ob und wo sie ihren Speicher anschließen?
Blazel: Ich rate zu einer frühen, gründlichen Standort- und Netzverträglichkeitsprüfung. Es kann – trotz standardisierter Modelle – erhebliche Unterschiede bei den Baukostenzuschüssen geben, je nachdem, wie belastet das lokale Netz ist. In Einzelfällen lohnt es sich, mit dem Netzbetreiber über mögliche netzdienliche Betriebsweisen zu sprechen – etwa bei Engpassmanagement oder Primärregelleistung. Das Urteil lässt offen, ob individuelle Vereinbarungen zur Berücksichtigung solcher Wirkungen zulässig oder sinnvoll sind. Rechtlich ist der Spielraum da – aber die Netzbetreiber müssen ihn auch nutzen wollen.
Redaktion: Abschließend: Ist mit dem Urteil der Streit um den Baukostenzuschuss endgültig beendet?
Blazel: Juristisch ist die Linie jetzt klar – aber die energiepolitische Debatte ist keineswegs abgeschlossen. Der Speicherbedarf wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Möglicherweise sehen wir bald gesetzgeberische Änderungen, die Speicher stärker fördern oder gezielter differenzieren – etwa nach Systemrelevanz oder Standort. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.
Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Blazel!
Daniel Blazel: Sehr gern.
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