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Haftung bei E-Scooter-Unfällen: BMJV legt Gesetzentwurf zur Stärkung der Geschädigtenrechte vor

Tho-Ge (CC0), Pixabay
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Neue Haftungsregelung soll Schutz von Unfallopfern verbessern – Sharing-Anbieter künftig stärker in der Pflicht

Berlin, 2. Dezember 2025 – Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Haftung bei Unfällen mit E-Scootern neu regeln und die Rechte geschädigter Dritter erheblich stärken soll. Insbesondere sollen Halter von E-Scootern künftig auch ohne eigenes Verschulden haften, ähnlich wie es bereits für Autos gilt. Auch für Fahrer:innen wird eine Verschuldensvermutung eingeführt.

Mit dieser Reform greift das BMJV zentrale Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags 2022 und der Justizministerkonferenz 2023 auf.

Hintergrund: Unfallzahlen steigen rapide – Beweislage für Geschädigte oft schwierig

Seit Einführung der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) im Jahr 2019 hat die Nutzung von E-Scootern stark zugenommen – vor allem in urbanen Gebieten. Die Zahl der versicherten E-Scooter stieg laut GDV von 180.000 (2020) auf 990.000 (2023). Im gleichen Zeitraum hat sich auch die Zahl der Unfälle mit Beteiligung von E-Scootern mehr als verdoppelt – von 5.860 (2020) auf 12.509 (2024).

Besonders kritisch sind Unfälle mit E-Scootern aus Verleihflotten: Obwohl diese nur etwa 20 % des E-Scooter-Bestands ausmachen, verursachen sie rund 40 % der Drittschäden. Auch abgestellte E-Scooter führen immer häufiger zu Gefährdungen – etwa für blinde oder sehbehinderte Menschen.

Problematik im geltenden Recht

Aktuell sind E-Scooter von der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung (§ 7 StVG) sowie der Vermutung des Fahrerverschuldens (§ 18 StVG) ausgenommen, da sie als „langsam fahrende Fahrzeuge“ mit max. 20 km/h gelten (§ 8 Nr. 1 StVG).

Das bedeutet: Geschädigte müssen bislang ein konkretes Verschulden – meist des Fahrers oder der Fahrerin – nachweisen, was sich gerade bei Verleih-Scootern als praktisch unmöglich erweist, da Fahrer und Halter selten identisch sind und nur der Halter über die Versicherungsplakette ermittelbar ist.

Kernpunkte des Gesetzentwurfs

Der am 2. Dezember 2025 veröffentlichte Referentenentwurf sieht folgende zentrale Änderungen vor:

1. Einführung der Gefährdungshaftung für Halter (§ 7 Abs. 1 StVG)

Halter von E-Scootern – typischerweise die Betreiber von Sharing-Angeboten – sollen unabhängig von eigenem Verschulden haften, wenn durch den Betrieb ihres Fahrzeugs ein Schaden entsteht.

Dies stärkt die Position Geschädigter erheblich, insbesondere wenn der Fahrer flüchtig bleibt oder unbekannt ist.

2. Haftung des Fahrers bei vermutetem Verschulden (§ 18 Abs. 1 StVG)

Auch für die Fahrerin oder den Fahrer wird künftig ein Verschulden vermutet, das nur durch Entlastung widerlegt werden kann. Diese Regelung entspricht der Rechtslage bei anderen Kraftfahrzeugen.

3. Erweiterter Anwendungsbereich

Die neuen Haftungsregeln sollen auch für selbstbalancierende Elektrokleinstfahrzeuge wie Segways gelten. Motorisierte Krankenfahrstühle und langsam fahrende Nutzfahrzeuge bleiben dagegen weiterhin privilegiert, da für sie kein vergleichbares Unfallrisiko festgestellt wurde.

Ministerin Hubig: „Wer Gewinne macht, muss auch haften“

Die Bundesjustizministerin Dr. Stefanie Hubig erklärte zur Vorstellung des Entwurfs:

„Unfälle mit E-Scootern nehmen zu – und in vielen Fällen tragen Verleihfirmen eine Mitverantwortung. Wer mit diesen Fahrzeugen Geld verdient, muss auch für die Schäden geradestehen. Das ist bei Mietwagen schließlich auch so.“

Ziel sei es, eine gerechtere Risikoverteilung zu schaffen und sicherzustellen, dass Geschädigte nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben, nur weil ein Fahrer nicht auffindbar ist.

Regelung auch für abgestellte E-Scooter

Ein besonderer Aspekt des Gesetzentwurfs betrifft auch abgestellte oder umgefallene Fahrzeuge. In der Begründung wird klargestellt, dass auch Schäden, die von einem unsachgemäß abgestellten E-Scooter ausgehen, unter die Gefährdungshaftung fallen können, sofern sie in einem „nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Betrieb“ stehen.

 

Nachhaltigkeit und ökonomische Anreize

Der Entwurf steht im Einklang mit der Agenda 2030 der UN und soll zur Erreichung von Nachhaltigkeitsziel 11.2 beitragen („Sichere, nachhaltige Mobilität“). Durch die veränderte Haftungsverteilung werden Anbieter gezwungen, Unfallrisiken bei ihrer Geschäftsplanung stärker zu berücksichtigen, was langfristig zu einem sichereren Straßenverkehr beitragen soll.

Weitere Schritte

Der Referentenentwurf wurde am 2. Dezember 2025 an Länder und Verbände versandt. Diese haben nun bis zum 16. Januar 2026 Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Ergebnisse werden auf der Website des BMJV veröffentlicht. Der endgültige Gesetzentwurf könnte noch im Jahr 2026 beschlossen werden.

Fazit: Ein Gesetz mit Signalwirkung

Mit der geplanten Gesetzesänderung stellt das BMJV klar: E-Scooter sind keine haftungsfreien Zonen mehr. Die Angleichung der Haftungsregeln an den klassischen Kfz-Verkehr bedeutet einen wichtigen Schritt hin zu mehr Verkehrssicherheit, Gerechtigkeit für Unfallopfer und einer verantwortungsbewussten Regulierung neuer Mobilitätsformen.

 

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