Großbritannien und 27 weitere Staaten, darunter Kanada, Frankreich, Italien, Japan und Australien, haben in einer gemeinsamen Erklärung das Vorgehen Israels im Gazastreifen scharf kritisiert und ein sofortiges Ende des Krieges gefordert. Die Außenminister der unterzeichnenden Länder sprechen von einem humanitären Tiefpunkt und verurteilen das derzeitige Modell der israelischen Hilfslieferungen als gefährlich und menschenunwürdig.
In der Erklärung heißt es: „Wir verurteilen das schrittweise Zuführen von Hilfe und die unmenschliche Tötung von Zivilisten, darunter auch Kinder, die versuchen, ihre grundlegendsten Bedürfnisse nach Wasser und Nahrung zu stillen.“ Seit Beginn des neuen Hilfssystems seien über 800 Palästinenser getötet worden, während sie auf Hilfe warteten.
Todesopfer beim Versuch, Hilfe zu erreichen
Allein am vergangenen Wochenende meldete das Hamas-geführte Gesundheitsministerium in Gaza über 100 Todesopfer durch israelischen Beschuss bei der Essensausgabe. Weitere 19 Menschen seien an den Folgen von Unterernährung gestorben. Das israelische Militär bestreitet die Opferzahlen und spricht von Warnschüssen, um „Verdächtige“ von den Hilfsstellen fernzuhalten.
Das UN-Welternährungsprogramm warnte vor einer „verzweifelten Hungerkrise“, bei der über 90.000 Frauen und Kinder dringend behandelt werden müssten. Laut UN-Menschenrechtsbüro wurden seit Mai 674 Menschen in der Nähe von Hilfsverteilungsstellen getötet, weitere 201 auf den Routen von UN-Hilfskonvois.
Scharfe Kritik aus London
Der britische Außenminister David Lammy bezeichnete die Lage in Gaza im Unterhaus als „eine Litanei des Grauens“ und kündigte zusätzliche humanitäre Hilfe in Höhe von 40 Millionen Pfund an. Zwar bekenne man sich weiterhin zur Sicherheit Israels, doch das derzeitige Vorgehen schade Israels internationalem Ansehen und untergrabe langfristig seine Sicherheit.
Vorschlag zur Massenumsiedlung als „untragbar“
In ihrer Erklärung lehnen die Staaten zudem Israels Vorschlag ab, die gesamte Bevölkerung Gazas – über zwei Millionen Menschen – in eine sogenannte „humanitäre Stadt“ im Süden bei Rafah zu verlagern. Dies stelle eine Form „permanenter Zwangsvertreibung“ dar und verstoße gegen das humanitäre Völkerrecht.
Die Unterzeichner fordern ein sofortiges, bedingungsloses und dauerhaftes Waffenstillstandsabkommen sowie einen politischen Weg zu Frieden und Sicherheit. Andeutungen, „weitere Maßnahmen“ zu erwägen, werten viele Beobachter als Hinweis auf eine mögliche Anerkennung Palästinas durch Staaten, die dies bisher nicht getan haben – darunter Großbritannien und Frankreich.
Israels Regierung weist Kritik zurück
Das israelische Außenministerium wies die Erklärung als „realitätsfern“ zurück und betonte, einzig Hamas trage die Verantwortung für das Ausbleiben eines Waffenstillstands. Man warf der militant-islamistischen Organisation vor, gezielt Zivilisten an Hilfsstellen zu bringen, um „gezielte Eskalation und internationale Verurteilung“ zu provozieren.
Die israelische Armee erklärte, man arbeite daran, „Reibung mit der Zivilbevölkerung so weit wie möglich zu vermeiden“. Der für humanitäre Koordination zuständige Armeezweig Cogat betonte, Israel handele im Einklang mit dem internationalen Recht.
Hintergrund des Konflikts
Die israelische Offensive begann nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen in Israel getötet und 251 als Geiseln genommen wurden. Seitdem wurden laut Gesundheitsministerium in Gaza über 59.000 Menschen getötet, viele davon Zivilisten.
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