Die USA wollen offenbar kurzen Prozess machen: Statt sich mit der dänischen Regierung herumzuschlagen, liebäugelt man in Washington mit einer direkten Strippe nach Grönland. Laut der dänischen Zeitung Politiken versucht die US-Regierung seit April, bilaterale Gespräche mit dem frisch gewählten grönländischen Regierungschef Jens-Frederik Nielsen zu führen – ohne dänische Aufpasser im Raum.
Das Problem? In der Realität des Königreichs Dänemark gilt: Kein außen- oder sicherheitspolitisches Gespräch über Grönland ohne die Dänen. Doch die USA – allen voran unter Trump’schem Einfluss – scheinen auf solche Formalitäten wenig Lust zu haben.
Diplomatie nach dem Gusto Trump: Kaufen, Umgehen, Überrumpeln
Dass Donald Trump Grönland am liebsten gleich gekauft hätte, ist kein Geheimnis. Seine monatelangen Besitzfantasien Anfang des Jahres haben weltweit für Kopfschütteln gesorgt – doch offenbar lebt der Traum vom arktischen Außenposten weiter. Und wenn man das Königreich nicht kaufen kann, dann redet man eben nur mit dem Teil, den man wirklich will.
Strategisch natürlich alles ganz harmlos, wie das Weiße Haus auf Nachfrage betont. Man bekräftige lediglich die „strategische Bedeutsamkeit Grönlands“ – ganz ohne konkrete Aussage zu den mutmaßlichen Treffen, versteht sich.
Grönland spielt mit – aber nicht blind
Die grönländische Regierung hat den amerikanischen Umgehungsversuch bislang abgewiesen. Noch hält man sich an die Gepflogenheiten im Königreich. Regierungschef Nielsen aber bleibt diplomatisch offen: Eine respektvolle Zusammenarbeit mit den USA sei denkbar – solange es Grönland nützt. Ein klarer Hinweis darauf, dass man sich durchaus bewusst ist, welchen geopolitischen Wert die eigene Insel plötzlich hat. Arktisches Eis schmilzt – und mit ihm schwindet auch das dänische Monopol auf Einfluss.
Dänemark, der Zuschauer im eigenen Haus
Während die Amerikaner sich an die grönländische Tür klopfen, scheint man in Kopenhagen leicht überrumpelt. Das einst als Kuriosum abgetane Kaufangebot entpuppt sich im Nachhinein als Vorbote einer weit größeren Strategie: America First – Europe sidelined. Die USA wollen nicht mehr nur reden – sie wollen gestalten, dominieren, sichern. Und das am liebsten ohne europäische Zwischenhändler.
Was bleibt, ist eine kleine Insel mit großer Bedeutung – und eine dänische Regierung, die zusehen muss, wie ihr geopolitisches Pfandstück ins Visier eines Weltmachtstrebens gerät, das sich längst nicht mehr an höfische Etikette hält.
Fazit: Was hier wie eine diplomatische Fußnote daherkommt, ist in Wahrheit ein strategischer Balanceakt zwischen Autonomie, Großmachtambitionen und europäischer Einflussnahme. Grönland ist kein Rohdiamant mehr – es ist längst geopolitisches Tafelsilber. Und das weiß man auch in Washington.
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