Am 19. Mai 2025 wurde der geänderte Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2021 der GORE German Office Real Estate AG im Bundesanzeiger veröffentlicht – über drei Jahre nach Ablauf des betreffenden Geschäftsjahres. Für Investoren ist das ein besonders spätes Signal über die tatsächliche wirtschaftliche Lage der Gesellschaft in jenem Jahr, was Rückschlüsse auf frühere Unternehmenskommunikation und Risikobewertungen erlaubt.
Diese verspätete und geänderte Bilanz enthält erhebliche Bewertungsabschläge auf Finanzanlagen sowie tiefgreifende Umbrüche in der Kapitalstruktur und Unternehmensausrichtung. Für Anleger ist dies Anlass zur erhöhten Vorsicht, aber auch zur kritischen Neubewertung ihrer Investmententscheidung.
📉 Bilanzielle Kernpunkte aus Sicht der Investoren
1. Dramatischer Wertverfall im Anlagevermögen
-
Das Anlagevermögen sank von €78,3 Mio. (2020) auf nur noch €26 Mio. (2021) – ein Rückgang um ca. 67%.
-
Ursache: außerplanmäßige Abschreibungen auf Finanzanlagen in Höhe von €58,1 Mio..
-
Dies spiegelt eine erhebliche Wertminderung des Immobilienportfolios in den Tochtergesellschaften wider – primär ausgelöst durch die veränderte Marktsituation.
📌 Anlegeralarm: Eine solche Wertkorrektur in dieser Größenordnung ist ein massives Warnsignal für die damalige finanzielle Substanz des Unternehmens.
2. Harter Einbruch beim Eigenkapital
-
Eigenkapital schrumpfte von €69,6 Mio. (2020) auf €7,6 Mio. (2021) – ein Verlust von über €62 Mio. in einem Jahr.
-
Der Jahresfehlbetrag 2021: rund €61,9 Mio. – fast das gesamte Kapital wurde damit aufgebraucht.
-
Der Bilanzverlust zum 31.12.2021: €63,6 Mio.
📌 Investorensicht: Dies signalisiert eine fast vollständige Vernichtung des Eigenkapitals im Geschäftsjahr 2021. Anleger müssen klären, ob und wie das Unternehmen seitdem rekonstruiert wurde.
3. Kurzfristige Verbindlichkeiten steigen stark
-
Verbindlichkeiten stiegen von €9,3 Mio. auf €19,3 Mio., bei gleichzeitiger Verkleinerung der Bilanzsumme.
-
Alle Verbindlichkeiten hatten eine Restlaufzeit von unter einem Jahr, was auf eine angespannte Liquiditätslage hinweist.
📌 Fazit: Die GORE AG hatte zum Bilanzstichtag 2021 eine klare Verschiebung von Eigen- zu Fremdfinanzierung, bei gleichzeitig hohem kurzfristigem Rückzahlungsdruck.
4. Fehlende operative Erträge und Abhängigkeit vom Konzern
-
Das Unternehmen erwirtschaftet als Holding keine eigenen operativen Erträge.
-
Die Liquiditätssicherung wurde über verbundene Unternehmen mittels Darlehen und Kreditlinien gewährleistet.
-
Diese Maßnahmen wurden als überwiegend wahrscheinlich dargestellt – jedoch mit deutlicher Unsicherheit behaftet.
📌 Investorensicht: Dies ist ein typischer Hinweis auf eine strukturell defizitäre Holding mit Abhängigkeit von externen (konzerninternen) Geldzuflüssen.
🔄 Strategiewechsel und Strukturreformen
Die 2021er Bilanz bildet den Kernpunkt einer unternehmenshistorischen Zäsur, die sich in den Folgejahren durch tiefgreifende strategische Umstellungen niederschlug:
-
Geplatzte Transaktion mit Luxemburger Investor (2023).
-
Neuausrichtung auf „automatisiertes Parken“ durch Übernahme der First Move AG (2023).
-
Umfirmierung in „GORE Technologies AG“, ebenfalls 2023.
-
Gleichzeitig erfolgte eine drastische Kapitalherabsetzung auf nur noch €3,75 Mio. im Oktober 2023.
📌 Anleger müssen sich bewusst sein: Das Unternehmen hat sich faktisch von einem Immobilienkonzern zu einem technologieorientierten Anbieter gewandelt. Damit geht ein vollständiger Wandel des Investmentprofils einher.
📌 Fazit für Anleger
-
Die Bilanz 2021, jetzt (erst) veröffentlicht, zeigt massive Abschreibungen, Kapitalverlust und strategisches Scheitern wesentlicher Projekte.
-
Es liegen hohe Unsicherheiten zur damaligen und auch zur späteren Zahlungsfähigkeit vor.
-
Die strategische Neuausrichtung ab 2023 signalisiert einen möglichen Neuanfang – jedoch ohne belastbare Erfolgskennzahlen bis heute.
-
Anleger sollten dringend auf aktuelle Finanzberichte (2022–2024) warten, um zu prüfen, ob die Restrukturierung trägt oder nur Kosmetik war.
-
Die sehr späte Offenlegung des 2021er Abschlusses wirft zusätzlich Fragen zur Transparenz- und Governance-Kultur der Gesellschaft auf.
🧭 Empfehlung
Für bestehende Aktionäre:
→ Die Situation erfordert eine kritische Neubewertung der Position. Die Bilanz 2021 dokumentiert einen gravierenden Bruch. Ohne klare Fortschritte in der Neuausrichtung (Umsatz, Cashflow, Rentabilität) bleibt das Investment hochriskant.
Für potenzielle Investoren:
→ Ein Einstieg erscheint zum aktuellen Zeitpunkt nur für sehr risikobereite Anleger denkbar, die auf die technologische Transformation (automatisiertes Parken) setzen wollen – und bereit sind, einen Totalverlust zu akzeptieren.
Kommentar hinterlassen