Was einst das Geschäft mit Kokain war, ist heute zunehmend Gold: In weiten Teilen Lateinamerikas setzen Drogenkartelle und kriminelle Netzwerke vermehrt auf illegalen Goldabbau, um ihre Macht zu sichern und riesige Gewinne zu erzielen – oft mit tödlichen Folgen für Menschen, Umwelt und Rechtsstaat.
Kokain-Produktion auf Rekordniveau – doch Gold ist lukrativer
Obwohl die Kokainproduktion in Peru und Kolumbien aktuell Rekordwerte erreicht – Peru produzierte laut US-Außenministerium über 800 Tonnen im Jahr 2023 – verlagern viele Kartelle ihr Hauptgeschäft. Grund: Gold lässt sich leichter verkaufen, ist schwerer nachzuverfolgen und ebenso gewinnbringend.
Perus damaliger Außenminister Elmer Schialer erklärte im Juli 2024, die illegale Goldwirtschaft sei siebenmal größer als der Kokainhandel des Landes.
Die COVID-19-Pandemie hatte illegale Aktivitäten noch befeuert: Während Polizei und Militär strenge Lockdowns durchsetzten, breiteten sich kriminelle Gruppen ungestört aus, besonders in abgelegenen Regenwaldregionen. Zugleich verloren Millionen Peruaner in der informellen Wirtschaft ihre Einkommen – viele landeten im illegalen Bergbau oder der Kokainproduktion.
Narco-Minería: Die gefährliche Allianz von Drogenhandel und Goldrausch
Diese Verflechtung von Drogenwirtschaft und Goldförderung ist inzwischen unter dem Namen „Narco-Minería“ bekannt – eine neue Art der organisierten Kriminalität im Amazonasgebiet, von Peru über Ecuador bis Venezuela.
Der Vorteil: Während Kokain in jeder Phase illegal ist, lässt sich einmal geschmolzenes Gold kaum von legalem unterscheiden. Die Herkunft bleibt nahezu unnachweisbar.
„Kriminelle Organisationen erkennen, dass sich mit Gold nicht nur schneller Geld verdienen lässt – es eignet sich auch hervorragend zur Geldwäsche“, erklärt der Journalist Dan Collyns, Autor des kommenden Buchs „Blood Gold“.
Gold, Kokain, Diesel, Holz – alles läuft über dieselben Schmuggelrouten, mit derselben Logistik und unter demselben Schutz bewaffneter Gruppen.
Kartelle und Rebellen – neue Allianzen im Regenwald
Im Amazonas-Grenzgebiet zwischen Peru und Kolumbien kontrollieren FARC-Abspaltungen die Gold- und Drogenwirtschaft. Entlang der Grenze zu Brasilien operiert das berüchtigte Kartell Comando Vermelho (Rotes Kommando), das mittlerweile Kokaanbau in Ucayali und Sicherheitsdienste für Goldminen in Madre de Dios übernimmt, so die Journalistin Pamela Huerta vom Projekt Amazon Underground.
„Die kriminellen Gruppen haben gleich zwei Säulen der Schattenwirtschaft unter sich vereint“, erklärt der frühere peruanische Innenminister Ruben Vargas – Gold und Kokain.
Auch in Venezuela floriert der illegale Bergbau: Laut der Denkfabrik Crisis Group befindet sich mehr als ein Drittel aller illegalen Minen des Amazonas dort. In den Bundesstaaten Amazonas und Bolívar bereichern sich kriminelle Banden, ehemalige Guerilla-Kämpfer und sogar Angehörige des Militärs an den Ressourcen.
Morde, Massengräber, kaum Konsequenzen
Auch in Ecuador nimmt die Gewalt in Bergbauregionen zu. In der Grenzregion zu Peru operiert eine besonders brutale Gruppe: die Guardia de la Trocha (Wächter des Pfades). Sie kontrollieren illegale Minen und verlangen Schutzgeld – wer nicht zahlt, wird ermordet.
Die peruanische Aktivistin Ana Denisse García Solsol wurde Anfang 2024 mutmaßlich von der Gruppe erschossen. Ermittler vermuten, dass in der Region über 100 Menschen von der Bande getötet und verscharrt wurden.
Ermittlungen sind selten, Strafverfolgung fast unmöglich – in den riesigen, schwer zugänglichen Urwaldgebieten fehlt es an staatlicher Präsenz.
Zwar meldet das Innenministerium die Vernichtung von rund 27.000 Hektar Kokapflanzungen in den ersten neun Monaten des Jahres – doch Experten warnen: Die Rodungen verlagern das Problem tiefer in den Wald und verschärfen die Entwaldung.
„Die Zerstörung der peruanischen Amazonaswälder, das Vergiften der Flüsse und die Verdrängung indigener Gemeinschaften sind inzwischen irreversibel“, sagt Pamela Huerta.
Korruption, politische Instabilität – und wenig Hoffnung
Ein weiteres Problem: Korruption. Laut einem UN-Bericht werden Genehmigungen für Bergbau oft illegal durch Beamte oder Lokalpolitiker vergeben. In den letzten fünf Jahren hatte Peru über ein Dutzend Innenminister, was die Kontinuität im Kampf gegen organisierte Kriminalität massiv erschwert.
„Der politische Einfluss der Goldlobby im peruanischen Kongress blockiert jede effektive Reform“, sagt Dan Collyns.
Zudem fließen offenbar Einnahmen aus dem illegalen Goldgeschäft direkt in politische Kampagnen vor den Wahlen 2025.
Ex-Innenminister Vargas bringt es auf den Punkt:
„Die Drogenbekämpfung ist in vielen Regionen faktisch aufgegeben worden – sowohl in Peru als auch in den Konsumländern wie Europa und Brasilien.
Das macht die Produktionsländer zu einem Paradies für transnationale Kriminalität.“
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