Inmitten von Ruinen, Staub und Trümmern schleppt die 12-jährige Jana Mohammed Khalil Musleh Al-Skeifi zwei schwere Wassereimer durch die zerstörten Straßen im Norden Gazas. Ihr pinkfarbener Pullover mit Cinderella-Motiv hängt lose von ihren schmalen Schultern. Seit der Tod ihres Bruders durch einen israelischen Scharfschützen die Familie erschütterte, ist Jana die Versorgerin ihrer kranken Eltern und jüngeren Verwandten.
„Ich will stark sein, damit mein Vater sich nicht überanstrengen muss“, sagt Jana. „Er hat Herzprobleme. Wenn er den Eimer trägt, fällt er um.“
Hungerkrise in Gaza: „Manchmal müssen wir ohne Wasser auskommen“
Seit der israelischen Totalblockade Anfang März 2025 gibt es kaum noch Zugang zu Nahrung, Trinkwasser oder medizinischer Hilfe. Laut einem UN-gestützten Bericht sind etwa 20 % der Bevölkerung vom Hungertod bedroht. Hilfslieferungen werden fast vollständig blockiert – am 20. Mai ließ Israel nur fünf Hilfstrucks durch, während laut UN täglich 500 nötig wären.
„Ich warte manchmal stundenlang auf einen einzigen Eimer Wasser“, erzählt Jana. Ihre Familie nutzt gelegentlich Salzwasser zum Kochen und Waschen, weil es keine Alternative gibt.
Der Tod eines Babys: Janats tragisches Schicksal
Janas kleine Nichte Janat, gerade einmal vier Monate alt, starb am 4. Mai an den Folgen von schwerer Unterernährung. Ihre Mutter Aya erzählt, wie sie ab März – nach Beginn der Blockade – keine Babymilch mehr auftreiben konnte. Auch Aya selbst, ausgemergelt und dehydriert, verlor ihre Muttermilch. Die Familie suchte in jeder Apotheke, Klinik und sogar beim Gesundheitsministerium nach Hilfe – vergeblich.
„Ich habe die ganze Welt angefleht, ihr zu helfen“, sagte Aya. „Aber niemand konnte etwas tun. Alle haben nur zugesehen.“
Obwohl eine medizinische Evakuierung ins Ausland genehmigt worden war, kam die Rettung zu spät. Als Janat starb, wog sie nur 2,8 Kilogramm – kaum mehr als bei ihrer Geburt.
Die Statistik der Verzweiflung
Laut Gazaer Gesundheitsministerium sind seit Kriegsbeginn mehr als 53.000 Palästinenser*innen gestorben – rund 4 % der Bevölkerung. Das bedeutet: Einer von 40 Menschen ist tot.
Janas Familie wurde schwer getroffen: Sie hat einen Bruder, einen Schwager, eine Cousine und ihre Nichte Janat verloren. Ihre Mutter ist schwer krank, leidet an Schilddrüsenkrebs – eine Behandlung in Gaza ist aktuell unmöglich.
„Ich habe niemanden mehr. Ich fühle mich, als wäre ich tot“, sagt Jana, Tränen laufen über ihr Gesicht.
Ein Moment der Hoffnung – zwei Löffel Pasta
Am 13. Mai erlebt Jana einen seltenen Glücksmoment: Eine lokale Suppenküche bekommt Vorräte. Hungrige Kinder drängen sich, viele schreien, weinen, strecken leere Töpfe nach vorne. Jana erhält zwei Kellen Pasta in wässriger Tomatensauce. Sie isst nichts davon, bevor sie zu Hause ist.
Erst als ihre Geschwister, Nichten und Neffen ebenfalls einen Löffel bekommen, erlaubt sie sich selbst ein paar Bissen.
„Ich war ein ganz normales Kind“ – das Leben davor
Vor dem Krieg ging Jana zur Schule, hatte Wasser aus dem Hahn und Licht auf Knopfdruck. In einem alten Familienvideo sieht man sie bei einem Tanzauftritt – fröhlich, sorglos, in einer Welt, die heute nur noch wie ein ferner Traum wirkt.
Diese Reportage ist ein erschütterndes Zeugnis darüber, wie sehr der Alltag in Gaza entmenschlicht wurde – besonders für Kinder wie Jana, die viel zu früh Verantwortung tragen und mit Verlusten leben müssen, die kein Kind erleben sollte.
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