In der glühend heißen Wüste nahe der US-mexikanischen Grenze durchsuchen Freiwillige regelmäßig das trockene Gelände nach den sterblichen Überresten von Migranten. Die ehemalige ESL-Lehrerin Abbey Carpenter und der Veteran James Holeman koordinieren die Suchaktionen durch ihre Organisation Battalion Search and Rescue – ein zivilgesellschaftlicher Versuch, das sichtbar zu machen, was Behörden nicht immer finden oder erfassen.
Knochen im Sand – stille Zeugen der Flucht
Einmal im Monat durchquert Carpenter mit einer Gruppe Freiwilliger ein Gebiet nahe Santa Teresa. Dort markieren sie mit buntem Band die Fundorte von Knochen: Oberschenkelknochen, Kiefer, Rippen – Relikte gescheiterter Grenzübertritte. In weniger als zwei Jahren hat Carpenter 27 Fundstellen dokumentiert. Die sterblichen Überreste erinnern sie an ehemalige Schüler aus ihren Englischkursen – Männer und Frauen, die heute in den USA in einfachen Berufen arbeiten.
Die Region im El-Paso-Sektor der US-Grenzpolizei, der sich von Westtexas bis über Teile New Mexicos erstreckt, gehört zu den tödlichsten Grenzabschnitten. Im Jahr 2023 wurden dort 176 Leichen geborgen, im Jahr davor 149 – ein dramatischer Anstieg gegenüber den 20 Todesfällen im Jahr 2019.
Hitze, Orientierungslosigkeit, Dehydrierung – Todesursachen im Grenzgebiet
Grenzbeamte berichten, dass viele Migranten bereits gesundheitlich geschwächt seien, bevor sie die Grenze überqueren – nach tagelangem Aufenthalt in sogenannten „stash houses“ ohne Nahrung oder Wasser. In der Wüste können Temperaturen von bis zu 65 Grad Celsius herrschen, besonders im Sommer. Das Gelände wirkt auf den ersten Blick flach, doch Buschwerk und Sanddünen erschweren die Orientierung erheblich. Viele sterben nur wenige Kilometer von Siedlungen und Straßen entfernt – oft unerkannt.
Offizieller Umgang mit den Todesfällen bleibt lückenhaft
Die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) hat zuletzt keine vollständigen Daten zu Todesfällen in den Jahren 2023 und 2024 veröffentlicht – trotz gesetzlicher Verpflichtung. Der El-Paso-Sektor veröffentlichte dennoch eigene Zahlen, wodurch das Ausmaß der humanitären Krise zumindest teilweise sichtbar wurde.
Seit 2017 existiert das Programm „Missing Migrant Program“, das unter Präsident Trump gegründet wurde. Es soll Migranten in Notlagen helfen und die Identifikation von Leichen ermöglichen. Unter der aktuellen Trump-Regierung wurde es in „Missing Alien Program“ umbenannt.
Freiwillige füllen Lücken staatlicher Hilfe
Die Arbeit der Freiwilligen beginnt dort, wo staatliche Hilfe endet. Ihre Aufgabe ist es nicht, die Leichen zu bergen, sondern die Fundorte zu melden. Manchmal reagieren die Behörden, oft nicht, berichten Carpenter und Holeman. Tiere, Wind oder Zeit zersetzen die Überreste, bevor sie gesichert werden können. Dennoch ist jede Entdeckung ein Schritt, um einem Menschen einen Namen und einer Familie Gewissheit zu geben.
Eine offene Wunde
Die freiwilligen Helfer berichten von emotional belastenden Einsätzen. Lehrerin Mary Mackay, die erstmals teilnahm, erklärte: „Du denkst, du bist vorbereitet, aber wenn du dann wirklich eine Leiche siehst, wird dir klar: Das war ein Mensch mit Träumen und Familie – und das alles endet dort im Sand.“
Für Carpenter steht fest: „Jeder Knochen, jede Spur zählt. Es geht nicht nur um Zahlen, sondern um Menschenleben. Wer würde nicht wollen, dass die Überreste seiner Angehörigen gefunden werden?“
Die Suchaktionen in New Mexico sind Teil einer wachsenden Bewegung zivilgesellschaftlicher Gruppen, die entlang der US-mexikanischen Grenze versuchen, ein Stück Menschlichkeit in einem politischen Brennpunkt zu bewahren.
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