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Forscher züchten Mini-Gehirne, um Computer anzutreiben

geralt (CC0), Pixabay
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Die Zukunft der Rechenzentren könnte lebendig werden – im wahrsten Sinne des Wortes.

Was bislang nach Science-Fiction klang, wird in einem Schweizer Labor Realität: Wissenschaftler entwickeln „Biocomputer“, also Rechner, die aus lebenden Nervenzellen bestehen.

Im Labor FinalSpark in Vevey züchtet ein Team um Dr. Fred Jordan winzige Gehirnstrukturen – sogenannte Organoide –, die später elektrische Signale verarbeiten sollen. Ihre Vision: Rechenzentren mit „lebenden Servern“, die wie künstliche Intelligenzen lernen, aber nur einen Bruchteil der heutigen Energie benötigen.

Von der Hautzelle zum Mini-Gehirn

Der Weg dorthin beginnt mit Hautzellen, die zu Stammzellen umprogrammiert werden. Diese verwandeln sich in Nervenzell-Cluster, die sich zu erbsengroßen, weißen Kugeln formen – den „Mini-Gehirnen“. Nach mehreren Monaten sind sie bereit, über Elektroden mit einem Computer verbunden zu werden.

Dr. Jordan nennt diese biologische Hardware schlicht „Wetware“ – eine Mischung aus Biologie und Technik. Auf elektrische Reize reagieren die Organoide mit messbaren Ausschlägen auf dem Monitor – kleine, lebendige Datenpunkte.
„Manchmal wissen wir selbst nicht, warum sie so reagieren“, sagt Jordan. „Vielleicht haben wir sie einfach genervt.“

Leben und Tod im Labor

Die winzigen Gehirnchen sind empfindlich. Sie besitzen keine Blutgefäße und müssen künstlich mit Nährstoffen versorgt werden. Bislang überleben sie bis zu vier Monate.
Manchmal zeigen sie kurz vor ihrem „Tod“ einen plötzlichen Aktivitätsschub – ähnlich wie bei Menschen kurz vor dem Herzstillstand.
„Wir haben schon tausende solcher letzten Momente aufgezeichnet“, sagt Jordan. „Es ist seltsam – und ein bisschen traurig.“

Sein Kollege Prof. Simon Schultz vom Imperial College London bleibt nüchtern:
„Man sollte keine Angst vor ihnen haben. Es sind letztlich nur Computer – aus einem anderen Material.“

Biocomputer weltweit

FinalSpark ist nicht allein:

  • Das australische Unternehmen Cortical Labs brachte 2022 Nervenzellen dazu, das Videospiel Pong zu spielen.
  • Forscher an der Johns Hopkins University in den USA entwickeln Mini-Gehirne, um neurologische Krankheiten wie Alzheimer besser zu verstehen.

Die Hoffnung: Künstliche Intelligenz und Biologie könnten sich gegenseitig verstärken – KI hilft beim Training der Zellen, und lebende Neuronen liefern neue Einblicke in das Lernen selbst.

Kein Ersatz für Silizium – aber eine Ergänzung

Dr. Lena Smirnova von Johns Hopkins bremst jedoch die Erwartungen:
„Biocomputing soll Silizium nicht ersetzen, sondern ergänzen – vor allem in der Medizin und bei der Reduktion von Tierversuchen.“

Auch Prof. Schultz glaubt an spezialisierte Einsatzgebiete, nicht an einen vollständigen Ersatz klassischer Computerchips.

Zwischen Science und Fiction

Für Dr. Jordan bleibt die Arbeit ein Lebenstraum:
„Ich war immer Fan von Science-Fiction. Früher war ich traurig, dass mein Leben nicht so spannend war wie in den Büchern. Jetzt habe ich das Gefühl, ich schreibe selbst eines.

 

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