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Finger weg bei fehlendem Prospekt

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Ein Interview mit Rechtsanwalt Michael Iwanow zur BaFin-Warnung zu den „sUSDe“-Token von Ethena

Redaktion: Herr Iwanow, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat eine Warnung zu den sogenannten „sUSDe“-Token herausgegeben. Was bedeutet das konkret für Anleger?

Michael Iwanow: Die BaFin hat den Verdacht, dass die Ethena (BVI) Ltd. in Deutschland Wertpapiere ohne genehmigten Prospekt anbietet – konkret Token namens „sUSDe“. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf. Ein Prospekt ist das zentrale Informationsdokument, das Anlegern offenlegen soll, worin sie überhaupt investieren. Fehlt dieser, ist das Risiko für Verbraucher immens hoch, Opfer von Fehlberatung, Intransparenz oder Betrug zu werden.

Redaktion: Was ist das Problem an einem fehlenden Prospekt – und warum warnt die BaFin öffentlich?

Michael Iwanow: Ein Prospekt erfüllt mehrere wichtige Funktionen: Er soll Anlegern transparent darstellen, wie das Produkt funktioniert, wer dahintersteht, welche Risiken bestehen und wie die wirtschaftlichen Strukturen aussehen. Ohne diese Informationen tappen Verbraucher im Dunkeln.

Die BaFin darf ein Produkt nicht auf Seriosität oder Werthaltigkeit prüfen – aber sie sorgt durch das Prospektverfahren zumindest dafür, dass formale Transparenz herrscht. Wenn ein Anbieter diese Hürde umgeht, liegt der Verdacht nahe, dass er genau das vermeiden will: Transparenz.

Redaktion: Was sollten Verbraucher tun, die bereits „sUSDe“-Token gekauft haben oder über eine Investition nachdenken?

Michael Iwanow: Wer bereits investiert hat, sollte dringend anwaltlichen Rat einholen. Möglicherweise bestehen Ansprüche auf Schadensersatz gegen den Anbieter – wegen des Verstoßes gegen die Prospektpflicht (§ 14 WpPG). Wichtig ist, dass Betroffene Dokumente, E-Mails und Transaktionsbelege sichern, um ihre Position zu stärken.

Wer mit dem Gedanken spielt, zu investieren, dem kann ich nur sagen: Finger weg, solange kein offiziell gebilligter Prospekt bei der BaFin hinterlegt ist. Die BaFin stellt dafür eine öffentliche Datenbank zur Verfügung. Ist dort kein Eintrag zu finden, ist äußerste Vorsicht geboten.


Redaktion: Der Anbieter sitzt laut BaFin auf den British Virgin Islands. Macht das rechtliche Schritte nicht noch schwieriger?

Michael Iwanow: Ja, das ist leider ein typisches Muster bei dubiosen Krypto- und Tokenangeboten. Offshore-Gesellschaften sind schwer greifbar für europäische Verbraucherrechte. Das macht es aufwändig – aber nicht unmöglich – rechtlich vorzugehen. Oft ist entscheidend, ob auch in Deutschland geworben oder vertrieben wurde, denn dann greifen hierzulande Verbraucherschutzregeln und Prospektpflichten.


Redaktion: Gibt es Warnzeichen, auf die Verbraucher grundsätzlich bei solchen Angeboten achten sollten?

Michael Iwanow: Ja, und diese Warnzeichen sind oft dieselben:

  • Keine BaFin-Zulassung oder fehlender Prospekt

  • Sitz in Offshore-Finanzplätzen

  • Krypto- oder Token-Produkte mit Versprechen hoher Renditen

  • Undurchsichtige Firmenstrukturen

  • Aggressive Werbung in sozialen Medien oder Krypto-Foren

Wer eines oder mehrere dieser Anzeichen sieht, sollte extrem vorsichtig sein – und im Zweifel lieber die Finger davon lassen.

Redaktion: Abschließend: Welche Rechte haben geschädigte Anleger in solchen Fällen?

Michael Iwanow: Sie können Schadensersatzansprüche gegen Anbieter und Vermittler geltend machen, sofern Verstöße gegen das Wertpapierprospektgesetz vorliegen. Die Haftung kann persönlich greifen, also z. B. gegen Geschäftsführer oder sogenannte Prospektverantwortliche. In besonders krassen Fällen kann auch eine Strafanzeige wegen Kapitalanlagebetrugs in Betracht gezogen werden.

Wichtig ist, dass Betroffene nicht warten, sondern sich rechtzeitig rechtlich beraten lassen. Je länger man zögert, desto schwieriger wird die Durchsetzung.

Redaktion: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Herr Iwanow.

Michael Iwanow: Gern. Und mein Appell: Transparenz ist kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung jeder seriösen Geldanlage.

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