In einem der größten Korruptionsfälle seit Jahrzehnten innerhalb einer US-Bundesgewerkschaft soll eine Ortsgruppe der National Treasury Employees Union (NTEU) – die zweitgrößte Gewerkschaft für Bundesbedienstete – mehr als 116.000 US-Dollar veruntreut haben. Die Vorwürfe betreffen die Chapter 212 in San Francisco, die rund 900 Beschäftigte des Gesundheitsministeriums (HHS) vertritt.
Die Enthüllungen stammen von Brandon Bruce, einem ehemaligen Mitarbeiter der US-Arzneimittelbehörde (FDA) und engagierten Gewerkschafter. Nachdem er in die Führungsriege seiner Ortsgruppe gewählt worden war, stieß er auf massive Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung.
iPads, Scheinrechnungen und seltsame Schecks
Bruce entdeckte u.a.:
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Doppelte Reisekostenerstattungen für den damaligen Präsidenten Michael Roberts – teils mit Schecks an sich selbst.
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Mehrere Käufe von iPads – angeblich zur Nutzung durch den Präsidenten.
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Zahlungen an eine Firma namens „Gregory White Hauling & Salvage“, die es laut Behörden gar nicht gibt – die Empfängerin der Gelder ist mit Gregory White verheiratet.
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Ein Storage-Unit für 12.000 US-Dollar, dessen Reinigung mit Schecks an eine Frau mit demselben Nachnamen wie die Schatzmeisterin bezahlt wurde.
Trotzdem wurde jahrelang bei den Finanzberichten an das US-Arbeitsministerium null Ausgaben angegeben – bis Bruce die Unterlagen an externe Prüfer und das FBI übergab.
Interner Machtkampf statt Aufklärung
Statt Unterstützung erhielt Bruce von der nationalen Gewerkschaftsführung Gegenwind. Präsidentin Doreen Greenwald, Nachfolgerin von Anthony Reardon, versprach zunächst eine Prüfung, wies später jedoch die Entlassung der Beschuldigten zurück. Zwei der fraglichen Personen sollten sogar in offizielle Ämter gewählt werden, obwohl sie Schecks an sich selbst unterschrieben hatten.
Bruce selbst verlor schließlich seinen Job bei der FDA – unter dem Vorwand, zu viel Arbeitszeit für Gewerkschaftsarbeit verwendet zu haben. Dennoch gewann er im Dezember die Wahl zum neuen Präsidenten von Chapter 212.
Ein Schuldenberg von über 95.000 US-Dollar
Zu allem Überfluss wurde Bruce im April 2025 mit einer Rechnung von fast 92.000 US-Dollar konfrontiert – eine offene Forderung des Gesundheitsministeriums gegenüber der Gewerkschaft, mutmaßlich aus Reisetätigkeiten von Michael Roberts. Mittlerweile ist die Summe durch Zinsen auf über 95.000 US-Dollar gestiegen. Der Betrag könnte notfalls direkt aus den Gewerkschaftsbeiträgen der Mitglieder gepfändet werden.
Bruce fordert jetzt, dass die Versicherung des Verbands den Schaden übernimmt. Gleichzeitig bemüht er sich um Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft – in einer Zeit, in der tausende Bundesangestellte unter der Trump-Regierung von Massenentlassungen bedroht sind.
Ein strukturelles Problem?
Laut dem US-Arbeitsministerium wurden seit 2001 mindestens acht Fälle von Finanzbetrug in verschiedenen NTEU-Ortsgruppen und sogar auf Bundesebene dokumentiert. Experten sehen in der Kombination aus Geld, geringer Kontrolle und politischer Funktionärsstruktur ein strukturelles Risiko.
Fazit:
Was als interner Verdacht begann, hat sich zu einem Fall mit potenzieller bundesweiter Signalwirkung entwickelt. In Zeiten wachsender politischer Spannungen in den USA, zunehmender Entlassungen und wachsender Gewerkschaftsbedürfnisse zeigt der Fall, wie sehr sich Korruption in Organisationen einschleichen kann – und wie dringend Whistleblower wie Bruce nötig sind, auch wenn sie persönlich dafür bezahlen müssen.
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