Startseite Allgemeines Fahrstreifenwechsel und Auffahrunfall: OLG Frankfurt spricht von geteilter Verantwortung
Allgemeines

Fahrstreifenwechsel und Auffahrunfall: OLG Frankfurt spricht von geteilter Verantwortung

Daniel_B_photos (CC0), Pixabay
Teilen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 9 U 5/24) hat mit Urteil vom 29. April 2025 entschieden, dass bei einem Auffahrunfall nach einem abrupt abgebrochenen Fahrstreifenwechsel eine hälftige Haftungsverteilung gerechtfertigt ist. Der für gewöhnlich gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis greife in diesem Fall nicht, so das Gericht in seiner heute veröffentlichten Entscheidung.

Der Unfallhergang

Im Sommer 2021 befuhr der Fahrer eines bei der Klägerin versicherten Ford Ranger die linke von drei Fahrspuren der A45. Wegen einer Baustelle reduzierte sich die Fahrbahn auf zwei Spuren. Der Ford-Fahrer begann einen Spurwechsel auf die mittlere Fahrspur, brach diesen jedoch nach etwa der Hälfte ab und scherte wieder nach links ein. Dort kam er – ebenso wie das vorausfahrende Fahrzeug – kurzfristig zum Stillstand.

Der hinter dem Ford fahrende Beklagte konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf. Es entstand ein Sachschaden von rund 60.000 Euro.

Erstinstanzliche Entscheidung und Berufung

Das Landgericht Gießen (Az. 9 O 275/23) hatte dem klagenden Versicherer eine Haftungsquote von 80 % zugesprochen. Auf die Berufung hin reduzierte das OLG Frankfurt diese Quote nun auf 50 %.

Begründung des OLG Frankfurt

Der Senat begründete die Entscheidung damit, dass der üblicherweise gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis in dieser Konstellation nicht greife. Das Unfallgeschehen sei atypisch: Der Fahrer des Ford habe einen bereits zur Hälfte vollzogenen Fahrspurwechsel spontan abgebrochen und sei ohne vorheriges Blinken wieder auf die linke Spur eingeschert – direkt vor das Fahrzeug des Beklagten, das anschließend auffuhr.

Der Ford-Fahrer habe eingeräumt, das hinter ihm fahrende Fahrzeug gar nicht gesehen zu haben. Dies deute darauf hin, dass er keine Rückschau gehalten habe, was seine Sorgfaltspflicht verletze. Zudem sei nicht ersichtlich, dass er sein Manöver durch Blinken angezeigt habe.

Zugleich sah das Gericht kein alleiniges Verschulden des Ford-Fahrers, da die Verkehrslage durch die Baustelle und das hohe Verkehrsaufkommen unklar gewesen sei. In einer solchen Situation müsse man grundsätzlich mit plötzlichen Spurwechseln oder Bremsmanövern rechnen, so das OLG.

Rechtsmittel möglich

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einzulegen, um eine Revision zu erreichen.


Aktenzeichen:
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.04.2025 – 9 U 5/24
LG Gießen, Urteil vom 27.11.2023 – 9 O 275/23

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

Zweimal den Spieß umgedreht: Ingolstädter Rentner führt Telefonbetrüger erneut in die Falle

Mit Ruhe, Aufmerksamkeit und der Unterstützung seiner Tochter hat ein 85-jähriger Rentner...

Allgemeines

Stimme aus den Kriegsgebieten: Star-Reporter Peter Arnett im Alter von 91 Jahren gestorben

Der international bekannte Kriegsreporter Peter Arnett ist tot. Wie seine Familie mitteilte,...

Allgemeines

Anlagebetrug im digitalen Zeitalter: Wie aus Renditehoffnungen ein finanzieller Albtraum wird

Hohe Gewinne in kurzer Zeit, angeblich sichere Investments und professionell auftretende Berater...

Allgemeines

Schwere Vorwürfe gegen Birkenstock-Werk Pasewalk: Beschäftigte berichten von Mobbing, Druck und Arbeitsschutzmängeln

Mehrere polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Birkenstock-Werks im mecklenburg-vorpommerschen Pasewalk erheben schwerwiegende...