Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erhoben. Wie ein Sprecher bestätigte, soll Scheuer 2020 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Pkw-Maut eine Falschaussage gemacht haben. Der Vorwurf lautet, er habe die Abgeordneten über wesentliche Punkte im Zusammenhang mit den gescheiterten Mautverträgen getäuscht.
Hintergrund: Das Maut-Debakel
Die Pkw-Maut gehörte zu den zentralen Projekten der CSU in der Verkehrspolitik. Sie sollte inländische Autofahrer entlasten, während Ausländer zur Kasse gebeten werden sollten. 2019 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Modell jedoch für europarechtswidrig – nur wenige Wochen nach der Vertragsunterzeichnung mit den privaten Mautbetreibern.
Die Folgen waren teuer: Weil die Verträge bereits geschlossen waren, musste der Bund 243 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Das „Maut-Debakel“ gilt als eine der größten politischen und finanziellen Niederlagen in Scheuers Amtszeit.
Streitpunkt im Untersuchungsausschuss
Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags erklärte Scheuer 2020, ihm sei kein Angebot der Betreiber bekannt gewesen, mit der Vertragsunterzeichnung bis nach dem EuGH-Urteil zu warten. Diese Aussage steht nun im Zentrum der Anklage.
Denn die Betreiberfirmen widersprachen: Ein solches Angebot habe es gegeben, und Scheuer sei informiert gewesen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Minister den Ausschuss bewusst falsch informierte, um eigenes Fehlverhalten zu verschleiern.
Politische und juristische Dimension
Die Anklage gegen einen ehemaligen Bundesminister ist ein seltenes Ereignis in der deutschen Politik und könnte weitreichende Folgen haben. Sollte Scheuer verurteilt werden, drohen ihm nicht nur eine Geld- oder Freiheitsstrafe, sondern auch ein weiterer Verlust an politischer Glaubwürdigkeit. Schon das Maut-Desaster selbst hatte das Vertrauen in seine Amtsführung massiv erschüttert.
Rechtsexperten weisen darauf hin, dass die Hürden für eine Verurteilung wegen Falschaussage hoch sind: Es müsse zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Scheuer im Ausschuss vorsätzlich und wissentlich die Unwahrheit gesagt hat.
Reaktion Scheuers
Scheuer wies die Vorwürfe in der Bild-Zeitung zurück. Er halte die Anklage für „unbegründet“ und betonte, er habe sich vor dem Ausschuss „korrekt verhalten“. Ein Termin für den Prozess steht bislang nicht fest.
Folgen für die CSU
Auch politisch ist der Fall brisant. Innerhalb der CSU gilt Scheuer seit dem Maut-Debakel als belastete Figur. Zwar trat er nach der Bundestagswahl 2021 nicht erneut als Minister an, blieb jedoch Mitglied des Bundestages. Die Anklage dürfte seine Zukunftsaussichten in der Politik weiter schmälern.
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