Ein Erbe gilt traditionell als Vermögensvorteil, als finanzielle Starthilfe oder als Absicherung für die Zukunft. Doch die Realität vieler Erbinnen und Erben zeigt ein zunehmend anderes Bild: Alte, heruntergekommene Immobilien verwandeln das, was eigentlich ein Geschenk sein sollte, in eine steuerliche Falle mit existenziellen Folgen. Der aktuelle Fall aus Norddeutschland steht exemplarisch für ein Problem, das immer mehr Menschen betrifft – und das sich mit jeder energetischen Auflage, jedem Sanierungszwang und jeder Immobilienbewertung weiter zuspitzt.
Die beiden geerbten Häuser sehen aus wie Erinnerungen vergangener Zeiten: leerstehend, feucht, und mit einer Bausubstanz, die längst nicht mehr zu retten scheint. Marode Dächer, durchfeuchtete Wände, Schimmel, veraltete Installationen und teilweise statische Risiken – die Gebäude sind rein wirtschaftlich betrachtet kaum mehr als Abrisskandidaten. Ein Verkauf wäre zwar denkbar, doch realistisch nur für einen symbolischen Betrag, den sogenannte „Handwerker- oder Investorenkäufer“ bereit wären zu zahlen. Sanierungen würden Hunderttausende Euro verschlingen – Summen, die private Erben in der Regel nicht aufbringen können.
Doch während der Markt diesen Immobilien kaum einen Wert zugesteht, bleibt das Steuerrecht völlig unbeeindruckt. Die Erbschaftssteuer orientiert sich nicht an dem, was tatsächlich erzielbar ist, sondern an modellhaften Verkehrswerten, die das wahre Bild oft grotesk verzerren. Bodenrichtwerte, Pauschalmodelle und rechnerische Vergleichswerte ergeben Beträge, die mit der Realität der verfallenen Gebäude nichts zu tun haben. So kommt es, dass die Steuerforderung deutlich höher sein kann als der reale Wert der Immobilie – ein absurdes Missverhältnis, das Erben wirtschaftlich ins Aus treiben kann.
Für viele bedeutet das: Sie werden zu Schuldnern, obwohl sie vermeintlich Vermögen geerbt haben. Ohne liquide Mittel bleibt oft nur der Versuch, die Häuser zu verramschen, einen Kredit aufzunehmen oder gar eine Stundung beim Finanzamt zu erbitten. Doch nicht jeder bekommt diese, und selbst wenn – irgendwann wird die Zahlung fällig. Der Druck wächst, ebenso die emotionale Belastung: Statt Dankbarkeit für das Erbe bleibt ein Gefühl von Überforderung, Verzweiflung und Unfairness.
Das Problem ist längst systemisch. In vielen Regionen stehen Altimmobilien, die energetisch, statisch und technisch nicht mehr zeitgemäß sind. Der Sanierungsstau ist enorm, der Investitionsbedarf explodiert – doch die steuerlichen Bewertungsmodelle stammen aus einer Zeit, in der Häuser grundsätzlich als wertvoll galten. Heute kann jedoch eine Immobilie mit hohem theoretischem Wert faktisch ein Minusgeschäft sein, weil Abriss, Entsorgung und neue Auflagen deutlich teurer sind als der verbleibende Nutzen.
Experten fordern seit Jahren eine Anpassung der steuerlichen Bewertung für marode Bestandsimmobilien. Denn wenn Erben durch staatlich festgelegte Bewertungsverfahren in die Schuldenfalle gedrängt werden, gerät das Prinzip der steuerlichen Gerechtigkeit ins Wanken. Der Fall zeigt eindrücklich: Ein Erbe ist längst nicht mehr automatisch ein Vorteil – manchmal ist es eine massive finanzielle Bedrohung, die Betroffene über Nacht in eine existenzielle Krise stürzt.
Solange das Gesetz hier keine realitätsnahen Kriterien anwendet, werden immer mehr Erbinnen und Erben in eine Situation geraten, in der das vermeintliche Vermögen nicht nur wertlos ist, sondern sie aktiv finanziell gefährdet. Ein Zustand, der nach politischer Korrektur schreit. Denn ein Erbe sollte niemals zur steuerlichen Zeitbombe werden.
Kommentar hinterlassen