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„Eine wegweisende Entscheidung – aber kein Freifahrtschein für KI-Unternehmen“/ „Öffentliche Daten sind kein Selbstbedienungsladen“

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Interview mit dem Datenschutzexperten Rechtsanwalt Mike Rasch zur Entscheidung des OLG Köln über Metas KI-Datenverarbeitung

Redaktion: Herr Rasch, das Oberlandesgericht Köln hat Meta erlaubt, öffentlich gestellte Profildaten aus Facebook und Instagram ab dem 27. Mai 2025 für das Training Künstlicher Intelligenz zu nutzen. Was halten Sie von dieser Entscheidung?

RA Mike Rasch:
Das Urteil ist ein Paukenschlag im digitalen Verbraucherschutz, auch wenn es nur im Eilverfahren erging. Das Gericht hat Meta die Nutzung öffentlich sichtbarer Nutzerdaten für KI-Trainingszwecke im Grundsatz nicht untersagt, sondern als datenschutzrechtlich vertretbar bewertet – zumindest vorläufig. Das wirft viele Fragen auf: Wie weit reicht ein „öffentliches Profil“ im digitalen Zeitalter? Und ist ein einmal öffentlich gemachtes Datum automatisch „frei zur Weiterverwertung“?

Redaktion: Das Gericht stützt sich auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – das sogenannte berechtigte Interesse. Ist das Ihrer Ansicht nach tragfähig?

RA Mike Rasch:
Das ist die juristische Schlüsselfrage. Der Senat erkennt Metas Interesse am KI-Training als legitim an – was angesichts der technologischen Entwicklung nachvollziehbar ist. Aber er lässt zugleich zu, dass personenbezogene Daten ohne explizite Einwilligung verwendet werden, solange die Nutzer nicht widersprechen. Das ist ein sehr schmaler Grat – denn die DSGVO stellt hohe Anforderungen an Transparenz, Informiertheit und Freiwilligkeit. Und ich bin nicht überzeugt, dass ein „opt-out“ bei einem Konzern wie Meta tatsächlich als informierte Entscheidung gewertet werden kann.

Redaktion: Die Verbraucherzentrale NRW hatte den Antrag gestellt. War aus Ihrer Sicht die Ablehnung des Eilantrags trotzdem juristisch korrekt?

RA Mike Rasch:
Im Rahmen eines Eilverfahrens muss ein Gericht nur prüfen, ob ein offensichtlicher Rechtsverstoß vorliegt – das ist ein reduzierter Prüfmaßstab. Und aus dieser engen Perspektive war die Entscheidung des Senats wohl nicht zu beanstanden. Aber das ersetzt keine inhaltliche Klärung in einem Hauptsacheverfahren. Ich halte es für dringend notwendig, dass diese Fragen in einem ausführlich geführten Verfahren und – womöglich – durch den Europäischen Gerichtshof geklärt werden.

Redaktion: Das Gericht weist darauf hin, dass keine sensiblen Daten oder Identifikatoren wie Namen oder E-Mail-Adressen verwendet würden. Ist das ausreichend?

RA Mike Rasch:
Jein. Juristisch betrachtet sind auch scheinbar harmlose Daten personenbezogen, wenn sie sich – direkt oder indirekt – einer Person zuordnen lassen. Gerade bei öffentlich sichtbaren Profilen auf sozialen Netzwerken ist das oft schnell möglich: über Bilder, Kommentare, Likes, Standortdaten usw. Hinzu kommt, dass KI-Modelle Datenmuster extrahieren, die mehr über Menschen verraten, als ihnen selbst bewusst ist. Deshalb reicht der bloße Ausschluss von Namen oder E-Mails nicht aus, um den Datenschutz vollumfänglich zu sichern.

Redaktion: Was können Nutzer nun tun?

RA Mike Rasch:
Kurzfristig bleibt nur: Privatsphäre-Einstellungen ändern oder ausdrücklich der Datenverarbeitung widersprechen. Meta bietet dafür inzwischen entsprechende Mechanismen an – auch auf Deutsch. Langfristig aber braucht es mehr rechtliche Klarheit: Wie ist das Verhältnis zwischen öffentlicher Verfügbarkeit und Schutz personenbezogener Daten im Zeitalter von KI? Das Urteil des OLG Köln hat hier keine abschließende Antwort gegeben – und das kann es im Eilverfahren auch gar nicht.

Redaktion: Was erwarten Sie vom weiteren Verlauf – kommt ein Hauptsacheverfahren?

RA Mike Rasch:
Ich rechne fest damit. Die Verbraucherzentrale NRW wird das Thema nicht ruhen lassen – zu Recht. Es geht hier nicht um ein rein deutsches oder technisches Thema, sondern um die Grundsatzfrage, wie wir mit personenbezogenen Daten im KI-Zeitalter umgehen wollen. Und das kann letztlich nur ein Gericht mit großer Legitimationskraft entscheiden – vermutlich der EuGH. Bis dahin sollten Nutzer und Datenschutzbehörden sehr genau hinschauen, wie Meta und andere Anbieter ihre Systeme trainieren – und mit welchen Folgen.

Redaktion: Vielen Dank, Herr Rasch, für das Gespräch.

RA Mike Rasch:
Sehr gern. Das Thema wird uns noch lange begleiten.

Hintergrund:
Das OLG Köln hat am 23. Mai 2025 entschieden, dass Meta öffentlich sichtbare Daten aus Nutzerprofilen für KI-Training verwenden darf (Az. 15 UKl 2/25). Das Urteil wurde im Eilverfahren gefällt und ist rechtskräftig – aber es entfaltet keine Wirkung für ein mögliches Hauptsacheverfahren. Nutzer können die Datenverarbeitung durch Änderung ihrer Sichtbarkeitseinstellungen oder durch einen aktiven Widerspruch verhindern.

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