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Eine Ära endet: Die Beerdigung von Dick Cheney und das Schwinden des republikanischen Establishments

TanteTati (CC0), Pixabay
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Die Beerdigung des ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney am Donnerstag markiert nicht nur das Ende eines politischen Lebens, sondern symbolisch auch das Verschwinden eines Politikertyps, der in der Ära Donald Trump immer seltener geworden ist.

„Nennen Sie mir einen Cheney-Republikaner, der heute politisch noch lebt“, sagt Joshua Bolten, ehemaliger Stabschef im Weißen Haus unter Präsident George W. Bush.

Viele Republikaner sehen in Cheneys Abschied etwas aus einer anderen Zeit – einer politischen Welt, in der ein traditionell-konservatives, establishmentgeprägtes Verständnis die Partei dominierte. Der Ort des Abschieds, die National Cathedral in Washington, wo viele politische Größen des 20. Jahrhunderts verabschiedet wurden, verstärkt diesen Eindruck.

Cheney – eine zentrale Figur des alten Republikanismus

Cheney prägte die Republikanische Partei über Jahrzehnte. Doch sein Bruch mit Trump – er bezeichnete diesen als „Gefahr für unsere Republik“ und kündigte an, 2024 für die Demokratin Kamala Harris zu stimmen – stellte ihn plötzlich ins Abseits. Ein Schicksal, das er mit Figuren wie Mitt Romney, John McCain oder seiner Tochter Liz Cheney teilt. Alle kritisierten sie die neue Ausrichtung der Partei, alle wurden dafür politisch kaltgestellt.

„Er war jemand, der sich an Regeln hielt“, sagt der frühere Abgeordnete Fred Upton, der ebenfalls an der Beerdigung teilnehmen will. „Trump testet alles aus.“

Der Streit eskalierte nach Trumps Versuch, die Wahl 2020 zu kippen – ein Vorgang, der im Angriff auf das Kapitol am 6. Januar gipfelte. Die Cheneys verurteilten, Trump revanchierte sich: Liz Cheney verlor ihre Wiederwahl durch einen von Trump unterstützten Konkurrenten.

Ein krasser Kontrast zu Trump

Temperament, Erfahrung, außenpolitische Haltung – Cheney und Trump könnten unterschiedlicher kaum sein. Cheney war bekannt für seine ruhige Art, seine jahrzehntelange Regierungserfahrung und seinen interventionistischen außenpolitischen Kurs. Trump dagegen wetterte gegen „endlose Kriege“ und griff Cheney und Bush offen für den Irakkrieg an.

Trump-Berater Roger Stone bezeichnete Cheney sogar als „ultimativen Deep-State-Insider“ und „bösartigen Schurken“.

Nach Cheneys Tod spottete Vizepräsident JD Vance auf Social Media: Cheney habe das Land „nicht besonders gut“ geführt.

Ob Trump oder jemand aus seiner Regierung an der Beerdigung teilnimmt, ist unklar. Die Flaggen wurden gemäß Protokoll auf halbmast gesetzt.

Ein „Erwachsener im Raum“

Cheney galt als einer der mächtigsten Vizepräsidenten in der US-Geschichte – vor allem wegen seiner tiefen Kenntnis der staatlichen Abläufe. Er war mit 34 der jüngste Stabschef eines Präsidenten, später Kongressabgeordneter, Verteidigungsminister und schließlich Vizepräsident.

„Er war enorm qualifiziert“, sagt der ehemalige Abgeordnete Dan Miller. Andere beschreiben ihn als den „Erwachsenen im Raum“ der Bush-Regierung.

Ein außenpolitischer Falke – und ein Gegenentwurf zu Trump

Cheney war geprägt vom Kalten Krieg und vertrat eine harte Außenpolitik à la Reagan. Auch Trumps zweite Amtszeit war in Teilen von solchen Positionen beeinflusst – etwa bei möglichen Militärschlägen gegen Iran. Gleichzeitig aber war Trump deutlich freundlicher gegenüber autoritären Führern wie Putin oder Xi Jinping, als es Cheney je gewesen wäre.

Cheney war ein Vertreter des klassischen internationalen Engagements der USA; Trump hingegen knüpfte an isolationistische Strömungen innerhalb der GOP an.

Eine Beerdigung – und vielleicht das Begräbnis einer Parteitradition

Bei der Trauerfeier werden viele Vertreter des alten Republikanismus erwartet – nicht aber viele aus dem Trump-Lager. George W. Bush und Liz Cheney gehören zu den Rednern.

Ob mit Cheney auch der alte GOP-Establishment-Flügel zu Grabe getragen wird, bleibt offen. Manche glauben, dass die traditionelle Strömung kaum noch eine Zukunft hat. Andere hoffen auf ein Comeback nach der Trump-Ära.

„Es ist verfrüht zu sagen, dass dieser Flügel tot ist“, meint Politikwissenschaftler Peter Feaver. Spätestens im Vorfeld der Wahl 2028 könnten die Stimmen der traditionellen Konservativen wieder lauter werden.

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