Frage: Herr Reime, das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat entschieden, dass ein Geschäftsführer persönlich haftet, obwohl die Gesellschaft insolvent ist. Was ist an diesem Urteil besonders?
Jens Reime: Das Besondere an diesem Urteil ist die klare Feststellung, dass Geschäftsführer nicht hinter der Insolvenz einer Gesellschaft „verschwinden“ können, wenn sie Investoren bewusst täuschen. Das Gericht hat hier eindrucksvoll dargelegt, dass die persönliche Haftung greift, wenn vorsätzlich falsche Angaben gemacht wurden – in diesem Fall zu Eigentums- und Nutzungsrechten einer Solaranlage. Das Urteil zeigt, dass Geschäftsführer auch bei einer Insolvenz nicht vor Schadensersatzforderungen sicher sind, wenn sie arglistig gehandelt haben.
Frage: Der Fall dreht sich um die Täuschung eines Investors. Können Sie die wesentlichen Punkte des Urteils zusammenfassen?
Jens Reime: Sehr gerne. Das Gericht hat fünf zentrale Punkte herausgearbeitet:
- Persönliche Haftung des Geschäftsführers: Der Geschäftsführer haftet, weil er falsche Angaben über die Eigentumsverhältnisse und Nutzungsrechte der Solaranlage gemacht hat. Diese bewussten Täuschungen führten zum Vertragsabschluss.
- Arglistige Täuschung: Es wurde suggeriert, die verkaufende Firma sei Eigentümerin der Solaranlage, was jedoch nicht stimmte. Die Solaranlage existierte in der vereinbarten Form gar nicht.
- Eingehungsbetrug: Der Investor wurde durch falsche Versprechungen zur Zahlung bewegt. Das Gericht bewertete dies als Eingehungsbetrug, da der Geschäftsführer bereits bei Vertragsschluss wusste, dass die versprochenen Leistungen nicht erfüllbar waren.
- Keine Entlastung durch vermeintliche Absicht, später zu leisten: Das Argument, man habe später „alles in Ordnung bringen“ wollen, zieht nicht. Wenn bei Vertragsabschluss schon erhebliche Unsicherheiten bestanden, bleibt die Haftung bestehen.
- Verzugszinsen: Besonders bemerkenswert ist, dass dem Kläger Verzugszinsen zugesprochen wurden. Das zeigt, dass geschädigte Investoren nicht nur Schadensersatz fordern können, sondern auch Ansprüche auf Zinsen geltend machen können – ein wichtiges Signal für die Praxis.
Frage: Was bedeutet dieses Urteil für Investoren, die in ähnliche Situationen geraten?
Jens Reime: Es zeigt, dass Investoren sich nicht damit abfinden müssen, wenn sie durch Insolvenzen oder betrügerische Strukturen geschädigt werden. Geschäftsführer, die bewusst falsche Angaben machen, können persönlich haftbar gemacht werden. Das Urteil gibt Betroffenen also ein starkes rechtliches Argument an die Hand, um gegen verantwortliche Personen vorzugehen.
Darüber hinaus sollten Investoren vor Vertragsabschluss genau prüfen, ob der Verkäufer tatsächlich Eigentümer der angebotenen Anlage ist und über die nötigen Rechte verfügt. Dieses Urteil macht auch deutlich, wie wichtig es ist, bei der kleinsten Vermutung einer Täuschung rechtzeitig rechtliche Schritte einzuleiten.
Frage: Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen. Was bedeutet das?
Jens Reime: Die Nichtzulassung der Revision bedeutet, dass das Urteil rechtskräftig ist und keine weitere Instanz angerufen werden kann. Das Gericht sieht keinen Bedarf, eine grundsätzliche Rechtsfrage zu klären, da es sich um einen Einzelfall handelt. Damit steht das Urteil fest, und der Geschäftsführer ist zur Schadensersatzzahlung verpflichtet.
Frage: Wie bewerten Sie die Entscheidung insgesamt?
Jens Reime: Das Urteil ist ein starkes Signal gegen betrügerische Praktiken und eine klare Botschaft an Geschäftsführer: Wer Investoren bewusst täuscht, muss persönlich haften – unabhängig von der Insolvenz der Gesellschaft. Für Investoren ist es ein wichtiger Erfolg, da es zeigt, dass Täuschung und Betrug nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Frage: Welchen Rat haben Sie für Investoren, die von ähnlichen Fällen betroffen sind?
Jens Reime: Betroffene sollten möglichst frühzeitig einen spezialisierten Anwalt hinzuziehen, um ihre Ansprüche zu prüfen und durchzusetzen. Dabei ist es wichtig, die Täuschungshandlungen des Geschäftsführers konkret zu dokumentieren. Verzugszinsen können – wie in diesem Fall – ein wertvolles Druckmittel sein, um eine zügige Schadensregulierung zu erreichen. Und vor allem: Nicht zögern, rechtliche Schritte einzuleiten.
Frage: Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch!
Jens Reime: Sehr gerne!
Kommentar hinterlassen