Ein Jahr ist vergangen, seit Mario Draghi der EU die Gebrauchsanweisung zum wirtschaftlichen Überleben überreichte. Der Plan: Investieren, modernisieren, unabhängig werden. Die Reaktion: höfliches Nicken, ein paar Applausmomente – und dann kollektiv eingeschlafen.
Draghi hatte gewarnt: Ohne Tempo und Reformen bleibt Europa im globalen Wirtschaftsranking nur noch das Pausenbrot zwischen USA und China. Seine Idee, EU-weit Schulden aufzunehmen, traf bei einigen Mitgliedsstaaten auf die übliche Reaktion: „Nein danke, lieber ersticken wir in wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit als Schulden gemeinsam zu machen!“
Jetzt – zwölf Monate später – schaut Draghi wieder vorbei. Und siehe da: Nichts passiert. Oder, wie er sagt: Die Lage ist jetzt sogar noch schlimmer. Abhängigkeit von den USA in der Verteidigung? Immer noch da. Wirtschaftliche Erpressbarkeit durch China? Auch keine Neuigkeit. Künstliche Intelligenz, Mikrochipproduktion, Elektromobilität? Alles läuft – nur leider rückwärts.
Die Unternehmen sind frustriert. Draghi ist frustriert. Nur Ursula von der Leyen gibt sich optimistisch: Alles halb so wild, wir haben doch Milliarden ausgeschüttet, ein paar E-Autos verkauft und irgendwo sicher auch eine neue Handelsbeziehung begonnen. Sie wünscht sich nur etwas mehr „Dringlichkeit“ – was vermutlich EU-Sprech für: „Könnte bitte irgendwer irgendwas tun, aber ohne den Koalitionsfrieden zu stören?“ ist.
Fazit: Europa hat einen Plan. Europa hat das Geld. Europa hat sogar Draghis Telefonnummer. Aber was Europa nicht hat, ist der Wille, sich zu bewegen – außer im Kreis.
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