Der Traum von einer unabhängigen, sicheren und staatlich kontrollierten IT-Infrastruktur für Deutschlands Verwaltungen hat Schleswig-Holstein und seine Partnerländer teuer zu stehen gekommen: Der öffentliche IT-Dienstleister Dataport hat mit seinem Projekt „Phoenix“ einen Verlust von rund 90 Millionen Euro erlitten. Die Software sollte Microsoft-Produkte wie Word, Excel und Outlook in den Behörden ersetzen – doch am Ende blieben zu wenige Abnehmer und zu viele Kosten.
Dataport, getragen von mehreren norddeutschen Bundesländern, entwickelte „Phoenix“ über Jahre hinweg als Alternative zu den US-amerikanischen Büroprogrammen. Ziel war es, die digitale Souveränität der Verwaltung zu stärken, Datenschutz zu verbessern und Lizenzkosten zu senken. Doch die ambitionierte Vision scheiterte an wirtschaftlicher Realität: Die Entwicklungskosten stiegen, während die Nachfrage aus den Verwaltungen ausblieb.
Laut Dataport wurde ein Teil des Programmcodes zwar in das bundesweite IT-Projekt „OpenDesk“ integriert, das eine gemeinsame Open-Source-Infrastruktur für Behörden schaffen soll. Doch eine finanzielle Vergütung für die überlassenen Komponenten habe es nicht gegeben – ein zentraler Grund für den enormen Verlust. „Der Verlust in dieser Höhe ist eine Folge einer strategischen Umorientierung des Bundes, aber auch eigener Fehler in der Durchführung des Projekts“, erklärte das Unternehmen auf seiner Webseite.
Politisch sorgt der Fehlschlag nun für massiven Druck. SPD und FDP im schleswig-holsteinischen Landtag fordern Aufklärung. Steuerzahler, so argumentieren die Fraktionen, hätten ein Recht auf Transparenz und verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln. „90 Millionen Euro sind kein Spielgeld“, betonte der digitalisierungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion – eine Summe, die deutlich macht, wie hoch die Risiken in öffentlichen Digitalprojekten sein können.
Die Kieler Staatskanzlei versucht zu beruhigen: Eine Nachschusspflicht für die beteiligten Länder bestehe nicht. Der Verlust werde intern durch Sonderabschreibungen abgefedert, zusätzliche Belastungen für die Landeshaushalte seien nicht zu erwarten. Doch die Kritik bleibt. Der Bund der Steuerzahler spricht von „mangelnder Koordinierung und planlosem Vorgehen“. Dataport sei in Vorleistung gegangen, ohne dass klare Vereinbarungen über die Finanzierung bestanden hätten.
Bereits im Mai 2024 hatte Dataport den Verwaltungsrat über die angespannte wirtschaftliche Lage informiert. Eine Expertenprüfung kam später zu dem Ergebnis, dass „Phoenix“ technisch funktioniere, wirtschaftlich jedoch nicht mehr tragfähig sei.
Das Projekt zeigt exemplarisch, wie schwierig es ist, die digitale Unabhängigkeit des Staates von großen Technologiekonzernen voranzutreiben. Während der politische Wille groß ist, bleibt die Umsetzung komplex und kostenintensiv. Die Bilanz von Dataport dürfte in der Digitalpolitik der Länder und des Bundes für eine ernüchternde Erkenntnis sorgen: Souveräne IT ist möglich – aber sie braucht klare Strategien, realistische Budgets und verbindliche Abnehmer. Ohne sie wird der Traum vom digitalen Eigenstand schnell zum teuren Lehrstück.
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