Startseite Allgemeines Diese Länder verzichten auf Fluorid im Trinkwasser – aus unterschiedlichen Gründen
Allgemeines

Diese Länder verzichten auf Fluorid im Trinkwasser – aus unterschiedlichen Gründen

Bru-nO (CC0), Pixabay
Teilen

Während in den USA die Trinkwasserfluoridierung zunehmend hinterfragt wird, zeigt ein internationaler Blick, warum einige Länder den Zusatz von Fluorid ablehnen oder ihre Programme gestoppt haben – und welche Auswirkungen das hat.

Hintergrund zur Fluoridierung

Die Fluoridierung von Trinkwasser wurde ursprünglich eingeführt, um die Zahngesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Studien zeigten, dass Menschen in Regionen mit natürlichem Fluorid im Wasser seltener an Karies litten. Seit 1945 wird in Teilen der USA aktiv Fluorid zugesetzt, weltweit betrifft dies heute rund 400 Millionen Menschen.

Befürworter sehen darin einen bedeutenden Erfolg der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Eine ständige, niedrige Fluoridzufuhr – etwa durch Trinkwasser – schützt besonders Kinder, deren Zähne sich noch entwickeln, effektiv vor Karies.

Doch nicht alle Länder fluoridieren ihr Wasser – aus teils sehr unterschiedlichen Gründen.

Fluoridierungsgegner gewinnen politischen Einfluss

In den USA gerät die Praxis verstärkt unter Druck. Im März verbot Utah als erster Bundesstaat die Trinkwasserfluoridierung. Im Mai folgte Florida mit einem Gesetz gegen bestimmte Wasserzusätze, einschließlich Fluorid. Auch US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. sowie Präsidentenberater und Influencer Calley Means sprechen sich öffentlich gegen Fluorid aus. Die US-Umweltbehörde (EPA) prüft derzeit wissenschaftliche Erkenntnisse zu möglichen Gesundheitsrisiken.

Kritiker verweisen auf Studien, die Fluorid mit leicht verminderten IQ-Werten in Verbindung bringen – allerdings bei Konzentrationen, die das Doppelte des in den USA empfohlenen Werts überschreiten. Wissenschaftler warnen zudem vor methodischen Mängeln in diesen Studien.

Warum fluoridieren viele Länder ihr Wasser nicht?

Eine 2018 durchgeführte Untersuchung ergab, dass von 28 EU-Ländern nur Irland, Spanien (teilweise) und einige Regionen Großbritanniens ihr Wasser fluoridieren. Elf Länder haben die Praxis wieder eingestellt, 14 sie nie begonnen.

Aber: Nur zwei dieser Länder nannten Bedenken zur Sicherheit oder Wirksamkeit als Grund. Viel häufiger wurde auf ausreichende Fluoridversorgung durch andere Quellen (z. B. Zahnpasta oder Lebensmittel), technische oder finanzielle Hürden oder öffentliche Ablehnung verwiesen. Manche sahen es als Eingriff in persönliche Rechte oder bevorzugten freiwillige Maßnahmen.

Beispiele:

  • Italien: Hohe natürliche Fluoridwerte in vulkanischen Regionen – dort wird das Wasser teils gefiltert oder verdünnt.

  • Thailand: Fluoridiertes Schulmilchprogramm für über eine Million Kinder, ergänzt durch Zahnpflege-Aufklärung und Fluoridlacke.

  • Schweiz, Kolumbien, Chile: Fluoridierung über Speisesalz oder Milch.

  • Japan: Kein Fluorid im Wasser, aber Fluoridspülungen in Schulen verbreitet.

Gesundheitliche Risiken – und empfohlene Grenzwerte

Zu hohe Fluoridwerte (über 1,5 mg/L) können zu Zahnfluorose führen, einer meist kosmetischen Veränderung der Zähne. Ab etwa 6 mg/L droht Skelettfluorose – eine ernste Knochenkrankheit. Die WHO empfiehlt deshalb maximal 1,5 mg/L im Trinkwasser. In den USA liegt der Richtwert bei 0,7 mg/L, in England bei maximal 1,0 mg/L.

Die soziale Dimension: Fluorid als Ausgleich

Fluoridierung gilt als Maßnahme, um soziale Ungleichheiten in der Zahngesundheit auszugleichen. Denn ärmere Bevölkerungsgruppen haben oft schlechteren Zugang zu Zahnpflege, fluoridhaltiger Zahnpasta oder professioneller Behandlung.

Ein Beispiel: In der englischen Stadt Middlesbrough ist die Kariesrate bei Kindern besonders hoch. Im benachbarten Hartlepool, wo natürliches Fluorid im Wasser vorkommt, ist sie deutlich niedriger. Daher empfiehlt das britische Gesundheitsministerium aktuell, die Fluoridierung im Nordosten Englands auszuweiten.

Europäische Zurückhaltung – mit Schattenseiten

Europa wird oft als Gegenbeispiel zur US-weiten Fluoridierung genannt – doch die Zahngesundheit ist hier keineswegs vorbildlich. Laut einem WHO-Bericht von 2023 ist die Kariesrate in Europa weltweit am höchsten. Zahnkrankheiten verursachen hier größere wirtschaftliche Schäden als Alzheimer, Krebs oder Schlaganfälle – nur Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind teurer.

Fazit

Die Entscheidung für oder gegen Fluoridierung ist komplex – sie hängt von geologischen, politischen, sozialen und kulturellen Faktoren ab. Wo keine zentrale Fluoridierung erfolgt, übernehmen Programme mit fluoridierten Lebensmitteln, Spülungen oder Zahnpasta eine ähnliche Rolle – allerdings oft weniger effektiv oder mit geringer Reichweite.

Fluoridierungsprogramme wie in Calgary, Kanada, das nach einem Anstieg der Kariesfälle wieder zur Wasserfluoridierung zurückkehrte, zeigen: Die Entscheidung, Fluorid aus dem Wasser zu entfernen, trifft sozial benachteiligte Gruppen am härtesten.

„Wenn Fluorid entfernt wird, entsteht ein weiteres Gesundheitsgefälle“, sagt Mary Rose Sweeney, Mitautorin der EU-weiten Studie. „Am stärksten betroffen sind dann wieder die, die ohnehin benachteiligt sind.“

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

Studie zu Vergütungen: Mehr Geld für Dax-Kontrolleure

Die Mitglieder der Aufsichtsräte in den Dax-Konzernen profitieren weiterhin von steigenden Vergütungen....

Allgemeines

30 Milliarden für die Zukunft: Deutschlandfonds soll Wirtschaft und Startups befeuern

Mit einem neuen „Deutschlandfonds“ plant die Bundesregierung einen tiefgreifenden Eingriff in die...

Allgemeines

Warnung vor unseriösen Finanzangeboten: BaFin mahnt zur Vorsicht bei dubiosen Online-Plattformen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt erneut eindringlich vor einer Vielzahl unseriöser...

Allgemeines

Insolvenz:Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Osnabrück-Stadt e.V.,

38 IN 80/25 : In dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des Deutsches...