Die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland ist in diesem Jahr deutlich gestiegen – ein klarer Hinweis darauf, dass die Bundesregierung ihre Rückführungspolitik massiv verschärft hat. Wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion berichtet, mussten zwischen Januar und September 2025 rund 17.700 Menschen Deutschland verlassen. Das sind fast 3.000 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres – ein Zuwachs von mehr als 20 Prozent.
Die meisten Betroffenen wurden in die Türkei und nach Georgien abgeschoben, doch auch Abschiebungen auf den Westbalkan, nach Nordafrika und in osteuropäische Staaten haben zugenommen.
Regierung setzt auf „konsequente Rückführungspolitik“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits zu Jahresbeginn angekündigt, die Zahl der Rückführungen deutlich zu steigern. Mit dem sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz“ sollen Abschiebungen beschleunigt, Bürokratie abgebaut und Hindernisse im Verwaltungsprozess beseitigt werden.
Das neue Gesetz sieht unter anderem verlängerte Ausreisegewahrsamzeiten, vereinfachte Datenabgleiche und eine engere Zusammenarbeit mit Herkunftsländern vor. Zudem sollen die Länder durch bessere Koordinierung zwischen Polizei, Ausländerbehörden und Justiz effizienter vorgehen können.
Laut Faeser gehe es darum, „das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken“ und „klare Grenzen zwischen Bleiberecht und Ausreisepflicht“ zu ziehen. Doch der Kurs bleibt umstritten.
Kritik: „Abschiebepolitik auf Kosten der Menschenwürde“
Von linker und humanitärer Seite hagelt es massive Kritik. Die rechtspolitische Sprecherin der Linken, Clara Bünger, sprach von einer „Politik der Härte, die Menschenrechte verletzt“. Besonders verurteilte sie, dass auch Kinder, ältere und kranke Menschen von Abschiebungen betroffen seien.
„Diese Bundesregierung setzt auf Abschreckung statt auf Menschlichkeit“, so Bünger. „Sie verschiebt humanitäre Grenzen und riskiert das Leid Schutzbedürftiger, um politische Stärke zu demonstrieren.“
Auch Organisationen wie Pro Asyl oder Amnesty International äußern sich besorgt. Viele der Abgeschobenen seien in ihren Herkunftsländern Verfolgung, Diskriminierung oder prekären Lebensbedingungen ausgesetzt. Besonders im Fall der Türkei wird kritisiert, dass Rückkehrer teils mit politischer Repression oder Einschränkung der Meinungsfreiheit rechnen müssten.
Zahlen steigen – Ursachen bleiben komplex
Die Bundesregierung begründet den Anstieg der Abschiebungen mit der hohen Zahl abgelehnter Asylanträge und einer engeren Kooperation mit Drittstaaten. Seit 2023 wurden mehrere Rücknahmeabkommen mit Ländern wie Georgien, Moldau und Marokko abgeschlossen.
Zugleich verzeichnet Deutschland auch einen Anstieg an freiwilligen Rückreisen. Diese werden von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) begleitet und teils finanziell unterstützt. Doch die Bilanz bleibt ambivalent: Noch immer leben mehr als 240.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland – viele davon mit Duldung, weil humanitäre oder gesundheitliche Gründe eine Abschiebung verhindern.
Europäischer Kontext: Ein Kontinent verschärft seine Grenzen
Die Entwicklung in Deutschland steht im Einklang mit einem europaweiten Trend. Immer mehr EU-Staaten verschärfen ihre Rückführungspolitik. Österreich, Dänemark und die Niederlande setzen ebenfalls verstärkt auf Abschiebungen und geschlossene Aufnahmezentren. Die EU-Kommission will zudem mit dem neuen Migrationspakt einheitliche Verfahren schaffen, die schnellere Asylentscheidungen und Rückführungen ermöglichen sollen.
Menschenrechtsorganisationen warnen jedoch, dass Europa damit auf eine „Abschottungspolitik“ zusteuere, bei der Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde auf der Strecke bleiben könnten.
Politischer Balanceakt zwischen Ordnung und Humanität
Der Streit um die steigende Zahl der Abschiebungen zeigt, wie angespannt das politische Klima beim Thema Migration in Deutschland ist. Während konservative Parteien den Kurs der Bundesregierung teilweise als „zu zögerlich“ kritisieren und noch konsequentere Maßnahmen fordern, wirft die Opposition der Ampelkoalition eine Aushöhlung humanitärer Prinzipien vor.
Für die Bundesregierung ist das ein schwieriger Balanceakt: Sie muss öffentlichen Druck, rechtliche Verpflichtungen und moralische Verantwortung gleichzeitig im Blick behalten.
Fazit: Mehr Abschiebungen – aber keine einfache Lösung
Der Anstieg der Abschiebungen 2025 ist ein deutliches Signal: Deutschland will entschiedener handeln, wenn es um die Durchsetzung von Ausreisepflichten geht. Doch die gesellschaftliche und moralische Debatte darüber, wie weit eine Demokratie gehen darf, bleibt offen.
Zwischen Rechtsstaat und Menschenrecht, Kontrolle und Mitgefühl bewegt sich die deutsche Migrationspolitik auf einem schmalen Grat – und das Thema wird auch in den kommenden Monaten eines der emotionalsten Konfliktfelder der Innenpolitik bleiben.
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