Die Schufa, diese unsichtbare Instanz, die für viele Bürger über den Zugang zu Krediten, Mietverträgen oder Handyverträgen entscheidet, steht einmal mehr im Zentrum eines juristischen Grundsatzstreits. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt sich aktuell mit einer Frage, die für Millionen Menschen in Deutschland von Bedeutung ist: Wie lange darf die Schufa alte Zahlungssünden speichern – und wann hat man endlich wieder eine weiße Weste?
Konkret geht es um den Fall eines Mannes, der einige Rechnungen verspätet beglichen hatte. Keine Insolvenz, kein Betrug – einfach nur verspätete Zahlungen, wie sie im Alltag vorkommen. Doch die Schufa nahm’s genau: Sie bewertete seine Kreditwürdigkeit über Jahre hinweg als „sehr kritisch“. Der Betroffene hatte genug davon, dass seine Vergangenheit ihm immer wieder auf die Füße fiel – und klagte.
Das Oberlandesgericht Köln gab ihm recht. Die Schufa, so die Richter, dürfe negative Einträge nicht übermäßig lange speichern, wenn die Schulden längst beglichen sind. Schließlich müsse der Grundsatz der Datenminimierung gelten – ein zentraler Pfeiler der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Doch die Schufa wollte das Urteil nicht akzeptieren. Der Fall ging weiter nach Karlsruhe – mit potenziell weitreichenden Folgen.
Schufa warnt: Ohne Daten kein Risikomanagement
Die Schufa Holding AG, die rund 68 Millionen Personenakten verwaltet, sieht ihre Geschäftstätigkeit bedroht, sollte das Gericht die Speicherfristen zu stark verkürzen. Ihr Argument: Unternehmen könnten ohne historische Daten das Risiko von Zahlungsausfällen schlechter einschätzen. Das würde den Kreditmarkt verunsichern und vor allem jene treffen, die ohnehin schon als „Risiko-Kunden“ gelten.
Mit anderen Worten: Wenn die Schufa weniger weiß, kann sie schlechter warnen – so zumindest die Lesart aus Wiesbaden. Dass diese „Warnung“ in der Praxis oft bedeutet, dass Menschen mit längst bereinigten Altlasten keine Wohnung, kein Darlehen und manchmal nicht einmal einen Handyvertrag bekommen, wird dabei gerne ausgeblendet.
Vom Datensammler zum Lebensrichter
Der Fall legt offen, wie mächtig die Schufa in Deutschland geworden ist – und wie intransparent ihre Bewertungsmechanismen sind. Für viele Verbraucher ist die Schufa so etwas wie ein Schattenregister der Vergangenheit, das entscheidet, wer kreditwürdig ist und wer nicht. Die Datenbank weiß, wer wann eine Rechnung zu spät bezahlt, einen Kredit aufgenommen oder ein Konto eröffnet hat.
Wie lange diese Informationen gespeichert bleiben dürfen, ist bislang nur teilweise geregelt – und wird von der Schufa selbst interpretiert. In der Regel bleiben Einträge drei Jahre nach Erledigung der Forderung bestehen. Doch in der Praxis sind die Fristen häufig länger, vor allem bei Fällen, die über öffentliche Schuldnerverzeichnisse gemeldet wurden. Datenschützer kritisieren seit Jahren, dass die Schufa faktisch „ein eigenes Rechtssystem“ betreibe – eines, das über Schicksale entscheide, aber keiner demokratischen Kontrolle unterliege.
Datenschutz gegen Wirtschaftslobby – ein altbekanntes Duell
Der BGH steht nun vor der Aufgabe, einen Balanceakt zwischen Datenschutz und Wirtschaftlichkeit zu vollführen. Auf der einen Seite die Europäische Datenschutz-Grundverordnung, die vorsieht, dass personenbezogene Daten nur so lange gespeichert werden dürfen, wie sie für ihren Zweck erforderlich sind. Auf der anderen Seite die Interessen von Banken, Versicherungen und Vermietern, die auf die Bonitätsdaten angewiesen sind, um Risiken zu minimieren.
Ein Urteil zugunsten des Klägers könnte weitreichende Konsequenzen haben. Es würde bedeuten, dass die Schufa künftig schneller löschen und ihre Speicherpraxis grundlegend anpassen müsste. Für Verbraucher wäre das ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Fairness und Transparenz. Für die Schufa hingegen wäre es ein empfindlicher Einschnitt in ihr Geschäftsmodell – das auf dem Handel mit Daten über menschliches Verhalten basiert.
Ein Stück digitale Gnade – oder bloß juristische Kosmetik?
Sollte der BGH tatsächlich die Rechte der Betroffenen stärken, wäre das eine längst überfällige Korrektur in einem System, das Menschen oft für Jahre in der digitalen Vergangenheit festhält. Schließlich ist die Frage, wie lange ein verpasster Handyvertrag oder eine verspätete Stromrechnung das Leben prägen darf, nicht nur juristisch, sondern auch moralisch.
Doch Skepsis ist angebracht. Die Schufa hat Erfahrung darin, Urteile „flexibel“ umzusetzen – und findet erfahrungsgemäß Wege, alte Gewohnheiten in neuen Paragrafen weiterzuführen.
Ob der BGH also den Bürgern wirklich einen zweiten wirtschaftlichen Frühling schenkt oder nur ein paar Blätter vom Datenbaum fegt, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur eines: Die Schufa vergisst nicht gern. Und wenn sie es doch muss, dann wohl nur, weil ein Richter sie endlich dazu zwingt.
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