Einer der größten Social-Media-Plattformen Chinas, Kuaishou, wurde Anfang dieser Woche Opfer eines massiven Cyberangriffs, bei dem die Livestreaming-Funktion der App für rund 90 Minuten mit pornografischen und gewalttätigen Inhalten überflutet wurde. In einem Land mit einem der strengsten Internetzensur-Systeme der Welt sorgt der Vorfall für breite Empörung – und Erstaunen.
Der Angriff ereignete sich laut Unternehmensangaben am Montag gegen 22 Uhr. Tausende unangemessener Videos wurden durch automatisierte Bot-Accounts gleichzeitig hochgeladen und gestreamt. Die Plattform mit über 416 Millionen täglichen Nutzern war dadurch zeitweise unbenutzbar. Kuaishou gilt als der wichtigste Konkurrent von Douyin – der chinesischen Version von TikTok.
„Was ist mit Kuaishou passiert? Kaum öffne ich einen Livestream, sehe ich nur Pornos“, schrieb ein Nutzer auf Weibo.
„Meine Augen brennen – Kuaishou ist durchgedreht!“, kommentierte ein anderer.
Angriff offenbar mit KI und Bots durchgeführt
Wie chinesische Staatsmedien unter Berufung auf das Cybersicherheitsunternehmen QAX berichten, wurde der Angriff durch künstliche Intelligenz und eine Armee von 17.000 Bot-Accounts ermöglicht. Dabei wurden Sicherheitssysteme umgangen, Nutzerdaten kompromittiert und der Streamingdienst der Plattform lahmgelegt.
Ein Experte von QAX erklärte, viele chinesische Plattformen setzen noch immer auf manuelle Inhaltskontrolle, was gegen automatisierte Angriffe wenig ausrichtet. So konnten die Bots innerhalb von Sekunden große Mengen illegaler Inhalte veröffentlichen – schneller, als menschliche Moderation reagieren konnte.
Reaktion des Unternehmens und der Behörden
Kuaishou erklärte am Dienstag, man habe den Vorfall den Behörden gemeldet und die App werde schrittweise wieder in den Normalbetrieb überführt. Der Angriff wurde auf sogenannte „graue Industrien“ zurückgeführt – ein Begriff in China für illegale oder halb-legale Online-Geschäftsmodelle.
Bislang hat sich keine Gruppe zu dem Angriff bekannt. Das chinesische Justizministerium betonte am Mittwoch, dass Cyberangriffe trotz der umfangreichen staatlichen Internetkontrolle weiter zunehmen. Laut Angaben der Cyberspace Administration of China finden täglich über 3,49 Millionen Malware-Angriffe statt.
Die Aktien des Unternehmens, das an der Hongkonger Börse notiert ist, fielen infolge des Angriffs am Dienstag um bis zu 6 %.
Gesetzesdebatte über „obszöne Inhalte“ sorgt zusätzlich für Aufregung
Der Vorfall fällt zeitlich zusammen mit einer kontroversen Gesetzesänderung in China, die schärfere Strafen für das Verbreiten obszöner Inhalte im Internet vorsieht – selbst in privaten Chats. Medienberichte behaupteten zunächst, dass schon das Weiterleiten an Freunde oder Ehepartner strafbar sein könnte, was eine Welle der Kritik im Netz auslöste.
Der Staatssender CCTV relativierte diese Interpretation am Mittwoch und berief sich auf Juristen, die erklärten, dass das Teilen solcher Inhalte theoretisch schon jetzt illegal, aber in der Praxis nicht strafverfolgt werde, solange keine Anzeige erfolgt.
Der bekannte Kommentator Hu Xijin warnte davor, jede Form sexuellen Inhalts in sozialen Medien „komplett auszumerzen“. Solche Extremmaßnahmen seien „keine gesunde Form von sozialer Kontrolle“.
Fazit:
Der Angriff auf Kuaishou zeigt die wachsende Verwundbarkeit selbst streng kontrollierter Plattformen in China gegenüber hochentwickelten Cyberbedrohungen – und verstärkt gleichzeitig eine gesellschaftliche Debatte über Kontrolle, Moral und digitale Freiheiten in einem zunehmend regulierten Internet.
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