Die vorläufige Unfalluntersuchung zum Absturz von Air India Flug 171, bei dem im Juni 260 Menschen ums Leben kamen, wirft neue Fragen auf und entfacht heftige Spekulationen. Der Jet stürzte weniger als eine Minute nach dem Start in ein Wohngebiet in Ahmedabad, nachdem beide Triebwerke den Schub verloren hatten.
Laut Bericht wurden unmittelbar nach dem Abheben beide Treibstoffkontrollschalter manuell auf „Cut-off“ gestellt – ein Schritt, der normalerweise erst nach der Landung erfolgt. Dies führte zur sofortigen Triebwerksabschaltung. Während ein Triebwerk sich kurz vor dem Aufprall neu startete, hatte das andere noch keine volle Leistung wiedererlangt.
Die Cockpit-Stimmenaufzeichnung enthält eine kurze Passage, in der ein Pilot fragt: „Warum hast du auf Cut-off geschaltet?“, worauf der andere entgegnet, er habe das nicht getan. Wer welche Aussage traf, bleibt unklar. Zum Zeitpunkt des Starts steuerte der 32-jährige Copilot Clive Kunder das Flugzeug, während der 56-jährige Kapitän Sumeet Sabharwal überwachte.
Zweifel und Debatten um mögliche Ursachen
Internationale Medien wie das Wall Street Journal und Reuters berichteten, dass sich die Ermittlungen verstärkt auf den Kapitän konzentrierten. In Italien behauptete die Zeitung Corriere della Sera, der Copilot habe mehrfach gefragt, warum der Kapitän die Triebwerke abgeschaltet habe – eine Darstellung, die bislang nicht offiziell bestätigt ist.
Indiens Luftfahrtbehörde AAIB verurteilte diese Berichterstattung als „unverantwortlich“ und „voreilig“, da die Ermittlungen noch andauern. Auch US-Behörden wie die NTSB warnten vor voreiligen Schlüssen.
Technischer Fehler oder menschliches Versagen?
Experten räumen ein, dass auch ein technischer Defekt – etwa im FADEC-System (Full Authority Digital Engine Control) – eine fehlerhafte automatische Abschaltung hätte auslösen können. Doch die im Bericht zitierte Reaktion („Warum hast du das gemacht?“) direkt nach dem Abschalten der Treibstoffzufuhr spricht laut Analysten eher gegen eine rein automatische Fehlfunktion.
Pilotenverbände fordern Zurückhaltung
Der Verband der indischen Linienpiloten sprach von einer „verfrühten Schuldzuweisung“. Man solle nicht spekulieren, solange keine vollständige Transkription der Cockpit-Aufzeichnung und Auswertung der Flugdaten vorliegt.
Schlüsselfrage bleibt unbeantwortet
Wer die Schalter tatsächlich umgelegt hat – ob absichtlich oder unbewusst –, ist weiterhin ungeklärt. Auch ein bewusstes Ablenkungsmanöver durch gezielte Aussagen im Cockpit kann laut Experten nicht ausgeschlossen werden. Die vollständige Aufzeichnung könnte weitere Klarheit bringen, wurde bislang aber nicht veröffentlicht.
Die AAIB betont, dass der vorläufige Bericht nur klären soll, was passiert ist – nicht warum. Die Ursachenanalyse und konkrete Empfehlungen würden erst im Abschlussbericht folgen, der frühestens in einem Jahr erwartet wird.
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