Der chinesische Onlinehändler JD.com steht kurz davor, Europas größtes Elektronikhandelsunternehmen Mediamarkt-Saturn endgültig zu übernehmen. Wie die Muttergesellschaft Ceconomy mitteilt, halten die Chinesen inzwischen 70,9 Prozent der Anteile – und der Anteil dürfte in den kommenden Wochen weiter steigen. Damit wäre erstmals ein führender europäischer Elektronikhändler mehrheitlich in der Hand eines chinesischen Technologiekonzerns.
Ceconomy veröffentlichte die Zahlen nach dem Ende der ersten Annahmefrist. Eine zweite Frist läuft noch bis Ende November, womit das Paket sogar weiter anwachsen könnte. Hinter dem von JD.com kontrollierten Anteil steckt auch ein Anteil von 25,4 Prozent, der ursprünglich der Beteiligungsgesellschaft Convergenta der Gründerfamilie Kellerhals gehört. Convergenta bleibt formal beteiligt, hat sich aber vertraglich verpflichtet, bei strategischen Entscheidungen künftig mit JD.com zu stimmen. In der Praxis bedeutet das eine stabile Kontrolle für den chinesischen Konzern.
Kartellrechtliche Hürden und geopolitische Fragen
Komplett entschieden ist der Deal allerdings noch nicht. Zwar hat das Bundeskartellamt bereits grünes Licht gegeben, doch weitere Prüfverfahren laufen. Besonders im Fokus steht das deutsche Wirtschaftsministerium, das ausländische Direktinvestitionen auf sicherheitsrelevante Risiken untersuchen muss. Auch mehrere EU-Staaten prüfen die Auswirkungen der Übernahme.
Zusätzlich analysiert die EU-Kommission, ob JD.com möglicherweise staatlich subventioniert wird und dadurch ein verzerrter Wettbewerb entstehen könnte. Diese Prüfung ist Teil neuer EU-Instrumente, mit denen Brüssel zunehmend gegen ausländische Marktverzerrungen vorgeht. Eine endgültige Entscheidung wird frühestens Mitte 2026 erwartet.
Ökonomische Dimensionen zweier sehr unterschiedlicher Unternehmen
Ceconomy hat im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 23,1 Milliarden Euro erzielt. Ohne Währungseffekte und Portfolioänderungen entspricht das einem Wachstum von 5,7 Prozent. Damit erholt sich der Konzern nach Jahren interner Probleme und eines schwierigen Marktes weiter.
JD.com spielt wirtschaftlich in einer anderen Liga. Das Unternehmen setzte im Jahr 2024 rund 159 Milliarden US-Dollar um. Der Konzern zählt technologisch zu den führenden E-Commerce-Händlern der Welt, betreibt hochautomatisierte Logistikzentren und investiert massiv in KI und Robotik.
Durch die Übernahme entsteht damit ein gewichtiger Brückenschlag zwischen traditionellem europäischen Einzelhandel und chinesischer Onlineplattform-Ökonomie – mit allen Chancen und Risiken.
Strategische Bedeutung: Zugang zu Technologie, Lieferketten und Kundendaten
Für JD.com ist der Einstieg in Europa ein Meilenstein. Der Konzern erhält direkten Zugang zu einer starken Handelsmarke, tausenden stationären Filialen in der EU und wertvollen Kundendaten. Für Ceconomy wiederum verspricht der Deal Investitionen, bessere Einkaufskonditionen, technologische Modernisierung und die Möglichkeit, sich im Wettbewerb gegen Amazon stärker zu positionieren.
Gleichzeitig betrachten Kritiker die Übernahme skeptisch. Die enge Verzahnung eines europäischen Handelsriesen mit einem chinesischen E-Commerce-Giganten wirft Fragen zur Datensouveränität, zu Lieferkettenabhängigkeiten und zu politischen Risiken auf. Auch mögliche Auswirkungen auf die Preisgestaltung und die Marktmacht gegenüber Herstellern stehen im Raum.
Wie es weitergeht
Sollten alle Prüfbehörden zustimmen, wird JD.com Mitte 2026 die endgültige Kontrolle über Mediamarkt-Saturn übernehmen. Damit würde der Elektronikmarkt in Europa neu sortiert – und ein weiterer Bereich der europäischen Wirtschaft fiele unter maßgeblichen Einfluss eines chinesischen Technologiekonzerns.
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