Die Spannungen zwischen China und Taiwan haben eine neue Dimension erreicht: Die chinesische Polizei hat zwei taiwanesische Social-Media-Influencer, den Musiker Chen Po-yuan und den Blogger Pa Chiung, offiziell wegen Separatismus zur Fahndung ausgeschrieben. Für Hinweise, die zu ihrer Festnahme führen, bietet Peking eine Belohnung von bis zu 250.000 Yuan (rund 30.000 Euro).
Laut der Polizeibehörde in Guangzhou sollen die beiden sich „seit langer Zeit an der Veröffentlichung und Anstiftung zu separatistischen Ansichten beteiligt“ haben. Der Vorwurf: Sie hätten in ihren Beiträgen die Unabhängigkeit Taiwans befürwortet und damit „die nationale Einheit gefährdet“.
Einschüchterung statt Recht – Taipeh reagiert empört
Die Regierung in Taipeh verurteilte die Maßnahme scharf und bezeichnete sie als politischen Einschüchterungsversuch. China wolle damit „Angst unter Taiwanesen verbreiten, die sich kritisch über Peking äußern“, so ein Sprecher des Außenministeriums.
Juristisch hat die Fahndung keinerlei Grundlage: Das chinesische Rechtssystem gilt in Taiwan nicht. Die Insel verfügt über ein eigenes Justiz- und Regierungssystem und betrachtet sich als souveränen Staat – ein Status, den Peking vehement ablehnt.
Reaktion der Betroffenen: Spott statt Furcht
Die beiden betroffenen Influencer zeigten sich unbeeindruckt von der chinesischen Drohkulisse.
„Je stärker der Wind, desto stabiler bin ich“, schrieb Rapper Chen Po-yuan auf der Plattform Threads – eine klare Kampfansage an Peking.
Pa Chiung reagierte ironisch: „Ich habe die Nachricht erst nach dem Aufwachen gesehen. Es scheint also, dass ich jetzt zu Puma Shen geworden bin.“ Damit spielte er auf einen taiwanesischen Abgeordneten der Regierungspartei DPP an, gegen den China kürzlich ebenfalls wegen „separatistischer Aktivitäten“ ermittelt.
Pekings neue Strategie: Verfolgung über Grenzen hinweg
Der Fall reiht sich ein in eine Serie von Maßnahmen, mit denen China zunehmend versucht, kritische Stimmen aus Taiwan auch außerhalb seiner Gerichtsbarkeit zu kriminalisieren. In den vergangenen Monaten hatte Peking wiederholt Aktivisten, Politiker und Journalisten aus Taiwan, Hongkong und dem Ausland auf schwarze Listen gesetzt.
Analysten sprechen von einem neuen Kapitel in Chinas Propagandakrieg – einer Mischung aus juristischer Einschüchterung und psychologischer Kriegsführung. Ziel sei es, den öffentlichen Diskurs in Taiwan zu beeinflussen und „Selbstzensur“ zu fördern.
Ein politisches Signal kurz vor den Wahlen
Beobachter sehen die Fahndung auch als strategisches Signal: In Taiwan stehen bald Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an. Mit Aktionen wie dieser will Peking offenbar Druck auf die Unabhängigkeitsbefürworter der Regierungspartei DPP ausüben – und zugleich nationalistische Stimmung im eigenen Land schüren.
Fazit
Mit der internationalen Fahndung nach zwei taiwanesischen Influencern überschreitet China erneut eine politische Grenze. Die Maßnahme zeigt, wie weit Peking bereit ist zu gehen, um Meinungsfreiheit über seine Grenzen hinaus zu bekämpfen – und wie entschlossen Taiwan bleibt, sich davon nicht einschüchtern zu lassen.
Während Peking mit Fahndungslisten arbeitet, setzen Taiwans Kritiker auf Worte, Ironie und Öffentlichkeit – und zeigen damit, dass Meinungsfreiheit manchmal das wirksamste Gegenmittel gegen autoritäre Kontrolle ist.
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