Nach Jahrzehnten der Isolation blickt Albanien verstärkt auf seine kulturellen Wurzeln, um sein nationales Erbe zu bewahren und sein internationales Image zu verbessern. Besonders die archäologische Stätte Butrint, eine der bedeutendsten historischen Stätten des Landes, steht dabei im Mittelpunkt.
Von Isolation zur Wiederentdeckung der Geschichte
Während der kommunistischen Diktatur unter Enver Hoxha (1944–1985) wurde Albanien stark abgeschottet und erhielt den Beinamen „Nordkorea Europas“. Religiöse Institutionen wurden geschlossen, viele historische Stätten vernachlässigt. Doch seit dem Sturz des Regimes 1991 setzt das Land zunehmend auf den Schutz und die Wiederherstellung seines kulturellen Erbes – ein Prozess, der auch wirtschaftlich und touristisch von großer Bedeutung ist.
Eine Schlüsselrolle spielt dabei Butrint, eine über 2.500 Jahre alte Stadt, die ursprünglich eine griechische Kolonie war. Später wurde sie von den Römern ausgebaut und entwickelte sich zu einem bedeutenden Handelszentrum. Auch Byzantiner und Osmanen hinterließen hier ihre Spuren, wodurch Butrint die politische und kulturelle Geschichte des Mittelmeerraums widerspiegelt.
Bereits 1992 wurde Butrint als erste albanische Stätte zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Heute gehört es zum Butrint-Nationalpark, der neben den Ruinen eine 93 km² große Naturlandschaft mit über 1.200 Tier- und Pflanzenarten umfasst. Besucher können nicht nur antike Monumente wie ein hellenistisches Theater oder frühchristliche Bauwerke besichtigen, sondern auch Wanderungen durch die Wälder unternehmen oder den nahegelegenen Butrint-See erkunden.
Erhalt des kulturellen Erbes
Die Restaurierung von Butrint war nicht einfach. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes verfiel die Stätte zunehmend. Zudem versuchten Investoren, Bauprojekte in der Umgebung umzusetzen. Doch dank Organisationen wie der Butrint Foundation und dem World Monuments Fund konnten viele historische Strukturen erhalten werden. Diese Initiativen sorgen nicht nur für den Schutz der Ruinen, sondern schaffen durch Schulungen in Denkmalpflege auch neue Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung.
„Es war ein harter Kampf, Butrint in den letzten 30 Jahren zu schützen“, erklärt Ani Tare, Direktor des Butrint-Nationalparks. „Nach dem Fall des Kommunismus wurde es vernachlässigt, und dann kamen Investoren, die rund um die Stätte bauen wollten.“
Tirana: Wandel in der Hauptstadt
Auch Albaniens Hauptstadt Tirana erlebt eine Transformation. Viele Monumente aus der Hoxha-Zeit wurden entfernt oder umfunktioniert. Der Skanderbeg-Platz, einst ein Zentrum kommunistischer Propaganda, ist heute der größte Fußgängerplatz des Balkans. Die Pyramide von Tirana, ursprünglich als Museum für Hoxha erbaut, wurde in einen modernen Park und eine Kunstinstallation mit Aussichtspunkt umgewandelt.
Kultur als Identitätsstifter
Neben architektonischer Restaurierung spielt auch Kunst eine wichtige Rolle bei der Wiederentdeckung der albanischen Identität. In Butrint findet beispielsweise jährlich ein Theaterfestival in dem antiken Stein-Theater statt. Was zunächst auf wenig Verständnis in der lokalen Bevölkerung stieß, hat sich über die Jahre zu einer geschätzten Tradition entwickelt.
„Am Anfang waren die Zuschauer laut, sie verstanden nicht, was passierte, und stahlen sogar die Sitzkissen“, erzählt Tare. „Doch nach fünf Jahren kamen sie schick gekleidet, waren respektvoll und niemand stahl mehr Kissen. Warum? Weil die Kultur sie bewusster gemacht und ihnen ein Gefühl von Stolz gegeben hat.“
Fazit
Albanien nutzt sein reiches kulturelles Erbe, um sich neu zu definieren und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu schlagen. Butrint ist dabei nicht nur ein Symbol für Albaniens wechselvolle Geschichte, sondern auch für die wachsende Wertschätzung der eigenen Identität – ein Wandel, der das Land nachhaltig prägen wird.
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