Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 28.11.2024 ein Urteil mit weitreichenden Folgen gefällt: Wer Bürgergeld bezieht und gleichzeitig Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage erzielt, muss diese als Einkommen anrechnen lassen. Betroffen sind damit auch kleinere Einspeisevergütungen, wie sie etwa von privaten PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern stammen. (Az.: B 4 AS 16/23 R)
Der Fall: Solarstrom trifft Sozialrecht
Geklagt hatte ein Ehepaar, das mit einer kleinen Solaranlage auf dem Dach ihres Eigenheims monatlich rund 235 Euro Einspeisevergütung erhielt – und gleichzeitig Leistungen nach dem SGB II, dem heutigen Bürgergeld, bezog. Das zuständige Jobcenter kürzte die Leistung entsprechend, da es die Solareinnahmen als Einkommen wertete.
Die Kläger hielten dagegen: Die Anlage sei Teil ihrer privaten Altersvorsorge und diene nicht der Gewinnerzielung. Sie argumentierten, dass ihre Einnahmen daher nicht als Einkommen, sondern als geschütztes Vermögen zu werten seien. Zudem forderten sie die Anwendung von Freibeträgen, wie sie bei Erwerbstätigkeit üblich sind.
BSG urteilt klar: Einnahmen sind Einkommen
Die Kasseler Richter gaben jedoch dem Jobcenter recht: Die monatlichen Zahlungen aus der Einspeisevergütung seien als laufendes Einkommen zu werten – selbst wenn es sich nur um kleine Beträge handele. Die PV-Anlage bleibe zwar Vermögen, doch regelmäßige daraus erzielte Einkünfte seien bei der Sozialleistung zu berücksichtigen.
Zwar wird eine Pauschale von 30 Euro für Versicherungsaufwendungen abgezogen, doch der Rest wird voll angerechnet.
Keine Freibeträge wie bei Arbeit – Warum das Gericht anders urteilt
Ein besonders bitterer Punkt für das Ehepaar: Anders als bei einer Erwerbstätigkeit gelten hier keine Freibeträge. Das BSG begründet dies damit, dass es an einem „persönlichen Arbeitseinsatz“ fehle. Die Stromerzeugung geschehe automatisch, ohne täglichen Aufwand oder Dienst an Dritten. Die Einkünfte seien daher eher mit Kapitalerträgen – wie Zinsen oder Mieteinnahmen – vergleichbar, nicht mit Lohn oder selbstständiger Arbeit.
Kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Existenzminimum
Auch der Hinweis auf das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum (Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG) blieb erfolglos. Nach Auffassung des Gerichts greift der Sozialstaat nur ein, wenn die Betroffenen ihren Lebensunterhalt nicht selbst decken können. Wer Einnahmen hat – auch aus einer PV-Anlage – müsse diese zuerst einsetzen.
Fazit: Wer Bürgergeld bekommt, muss Solareinnahmen melden
Das Urteil schafft Klarheit: Wer eine Photovoltaikanlage betreibt und Bürgergeld erhält, muss mit einer Anrechnung der Einspeisevergütung rechnen. Freibeträge für Erwerbstätige gelten nicht. Die regelmäßigen Einnahmen – so umweltfreundlich und sinnvoll sie auch sein mögen – gelten als Einkommen im Sinne des Sozialrechts.
📌 Wichtig: Wer betroffen ist, sollte frühzeitig prüfen lassen, wie sich Einnahmen aus einer Solaranlage auf den Anspruch auf Bürgergeld auswirken – idealerweise mit Unterstützung eines Sozialrechts- oder Rentenberaters.
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