Nach zähen Verhandlungen im Kanzleramt hat sich die schwarz-rote Koalition auf eine tiefgreifende Reform geeinigt: Das Bürgergeld, einst als sozialpolitisches Herzstück der Ampel-Regierung eingeführt, wird in zentralen Punkten abgeschafft. Künftig heißt das System „Neue Grundsicherung“ – und es soll wieder deutlich strenger werden.
Zehn Stunden saßen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), CSU-Chef Markus Söder, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und SPD-Co-Vorsitzender Lars Klingbeil im Kanzleramt zusammen. Heraus kam ein Kompromiss, der mehr ist als nur politische Kosmetik: Er steht für eine Neuausrichtung des Sozialstaates – weg von Nachsicht, hin zu Pflichten und Sanktionen.
Mehr Druck, weniger Verständnis
„Das Bürgergeld ist Geschichte“, verkündete Markus Söder am Morgen – ein Satz, der in der Union wie ein Befreiungsschlag klingt. Für viele Christdemokraten und Christsoziale war die Abschaffung des Bürgergelds ein zentrales Wahlversprechen. Nun löst Merz dieses Versprechen ein.
Die neue Grundsicherung soll nach dem Willen der Koalition mehr Eigenverantwortung und Konsequenz verlangen. Arbeitsministerin Bärbel Bas erklärte, wer Termine beim Jobcenter nicht wahrnehme oder sich verweigere, müsse künftig mit harten Kürzungen bis hin zum kompletten Leistungsstopp rechnen. „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben“, sagte die SPD-Politikerin. Der Fokus liege wieder klar auf der Vermittlung in Arbeit, nicht auf Weiterbildung – zumindest für Erwerbsfähige über 30 Jahren.
Härte mit Grenzen – Regelsätze bleiben unangetastet
Nicht alles wird gestrichen. Die Regelsätze – aktuell 563 Euro für Alleinstehende – bleiben bestehen. Sie gelten als verfassungsrechtlich abgesichertes Existenzminimum und dürfen nicht willkürlich gesenkt werden. Auch der „Kooperationsplan“ zwischen Jobcenter und Leistungsbeziehenden, der gegenseitige Absprachen auf Augenhöhe vorsieht, bleibt erhalten.
Doch das Gesamtbild der Reform ist klar: Die neue Grundsicherung bekommt ein „strengeres Gesicht“. Der Ton wird rauer, das Prinzip des Förderns rückt hinter das Fordern zurück. Damit verabschiedet sich die SPD von einem Projekt, das sie einst mit Stolz gegen den Geist von Hartz IV verteidigte.
Sozialpolitik zwischen Moral und Missbrauch
Die Diskussion um das Bürgergeld hatte die Gesellschaft gespalten: Kritiker warfen der Ampel-Regierung vor, falsche Anreize gesetzt und den Leistungsgedanken geschwächt zu haben. Zu milde Sanktionen und zu großzügige Freibeträge hätten bei vielen das Gefühl erzeugt, dass sich Arbeit kaum noch lohne.
„Zweifel daran, ob es sich lohnt, morgens aufzustehen und zu arbeiten – das darf es in einem Sozialstaat nicht geben“, heißt es aus Unionskreisen. Die Reform soll dieses Vertrauen wiederherstellen. Zugleich sollen Schwarzarbeit und Missbrauch stärker verfolgt werden.
Geringe Einsparungen, aber symbolische Wirkung
Finanziell ist von der Reform keine Wunderheilung zu erwarten. Während Merz ursprünglich von bis zu 30 Milliarden Euro Einsparungen gesprochen hatte, rechnet die Regierung nun mit höchstens fünf Milliarden. Bas selbst dämpfte die Erwartungen: „Über Sanktionen und Mitwirkungspflichten werden wir keine Milliarden einsparen.“
Doch für die Koalition zählt vor allem das Signal. Nach Monaten politischer Blockaden zeigt die Einigung, dass Schwarz-Rot wieder handlungsfähig ist. Und: Sie könnte die Stimmung im Land drehen – zumindest bei jenen, die sich von der bisherigen Sozialpolitik ungerecht behandelt fühlten.
Vertrauen als neues Ziel
Die Reform der Grundsicherung wird kaum den Haushalt retten. Aber sie soll Vertrauen zurückbringen – in die Politik, in den Sozialstaat, in das Prinzip der Gerechtigkeit. Nach Jahren des Misstrauens zwischen Arbeitenden und Unterstützten will die Regierung zeigen: Wer Hilfe braucht, bekommt sie. Wer sie missbraucht, spürt Konsequenzen.
Ob die „Neue Grundsicherung“ diesen Spagat zwischen Fairness und Strenge schafft, wird sich erst zeigen. Fest steht: Mit dem Ende des Bürgergelds beginnt ein neuer sozialpolitischer Abschnitt – einer, in dem Härte wieder zum politischen Programm wird.
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