Also gut. Ich gebe es zu. Ich bin Bielefelder. Oder besser gesagt: Ich lebe in dieser kollektiven Einbildung, die sich „Bielefeld“ nennt. Denn wenn man dem Internet glaubt, existiert diese Stadt ja gar nicht. Was ziemlich spannend ist, wenn man sich überlegt, dass wir nicht nur 340.000 Menschen, sondern auch eine funktionierende Stadtbahn, einen Wurstmarkt und jetzt – haltet euch fest – einen Drittligisten im DFB-Pokalfinale haben. Ja, wir, also das Phantom namens Bielefeld, fahren nach Berlin. Und diesmal nicht, um uns in Mitte überteuerte Flat Whites zu holen, sondern um Fußballgeschichte zu schreiben.
Der örtliche Fußballverein – Arminia Bielefeld, liebevoll „die Almkrieger“ genannt – hat es wirklich geschafft. Halbfinale? Bayer Leverkusen weggescheppert. Viertelfinale? Werder Bremen ausgetrickst. Und auf der Alm, diesem ehrwürdigen Stadion mitten in einer Wohnsiedlung mit gepflegten Vorgärten und grantigen Dackeln, glaubt niemand mehr an Zufall. Sondern an ein Wunder, serviert mit Senf, Bier und Verschwörung.
Vom Verschwörungsmythos zur Fußballrealität
Früher dachten die Leute: „Ach, Bielefeld – das ist doch der Ort, wo Google Maps aufgibt und das Navi sagt: ‚Bin dann mal raus.’“ Jetzt sagen sie: „Ach du meine Güte, Bielefeld gibt’s doch! Die stehen im DFB-Pokalfinale!“ Für die Stadt, die sich 2014 noch mit dem PR-Motto „Das gibt’s doch gar nicht!“ selbst auf die Schippe nahm, ist das so, als würde Atlantis plötzlich bei der EM mitspielen.
Pit Clausen und der Balkon der Geschichte
Bürgermeister Pit Clausen, ehemaliger Gladbach-Fan mit diplomatischer Teutonenruhe, ist inzwischen voll assimiliert. „Jetzt biste Bielefelder, jetzt biste Armine“, sagte er neulich und trat feierlich auf den Rathausbalkon, von dem früher mal Willy Brandt gesprochen hat. Bald werden da elf verschwitzte Drittligaspieler stehen – wahrscheinlich mit einem Pokal in der Hand oder zumindest mit einem riesigen Kasten Krombacher.
Zwischen Kleingarten, Kiosk und Krawatte
In Bielefeld liegt das Stadion nicht irgendwo hinterm Betonring oder am „Möbel-Mega-Zentrum West“, sondern mittendrin: zwischen Altbaucharme und Schrebergartenkultur. Der Weg zur Alm ist so bielefeldig wie ein mittelgroßes Jägerschnitzel mit lauwarmem Bier: unspektakulär, aber ehrlich.
Und dann gibt’s da noch Shantallica – einen Shanty-Männerchor aus Heavy-Metal-Fans in Flanellhemden, die plötzlich virale Finalhymnen singen. Sie proben in einer umgebauten Villa, in der früher ein Kinderchor gehaust hat. Jetzt riecht’s da nach Zigaretten, Bier und Aufstiegsträumen. Und ehrlich gesagt: Das passt besser zur Arminia.
Arminen mit Haltung
Ein Arminia-Fan zu sein bedeutet, durch mehr Täler gegangen zu sein als eine Alpenziege im Vollrausch. Manipulationsskandale, Beinahe-Pleiten, Abstiege bis kurz vor die Kreisliga WhatsApp – alles erlebt. Und jetzt, nach 120 Jahren Vereinsgeschichte, zum ersten Mal DFB-Pokalfinale? Das ist so, als würde dir dein alter Opel Astra plötzlich sagen, er hätte heimlich Fliegen gelernt.
Die große Bielefeld-Katze ist aus dem Sack
Also ja, liebe Republik, wir geben es zu: Bielefeld existiert. Nicht nur als geografischer Ort, sondern als temporales Wunderwesen, das gerade auf einer Euphoriewolke in Richtung Berlin schwebt. Und wenn Arminia am Samstag wirklich den Pokal holt, dann werden wir nicht nur jubeln – wir werden mit eurer Realität brechen.
Dann heißt es: Jetzt biste nicht nur Armine, jetzt biste Beweisstück A.
Und falls sie verlieren?
Dann trinken wir ein Bier. Und sagen: „War doch klar. Is ja Bielefeld.“
Aber hey – auch das gibt’s. Angeblich.
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