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„Automatisiert heißt nicht risikolos“

ghasoub (CC0), Pixabay
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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev, Dresden, zur digitalen Geldanlage mit Robo Advisorn wie fintego

Frage:
Frau Bontschev, Anbieter wie fintego werben mit „einfacher, transparenter und sicherer“ Geldanlage über gemanagte ETF-Portfolios. Ist ein Robo Advisor grundsätzlich eine sichere Anlageform?

Bontschev:
Ein Robo Advisor ist zunächst keine Anlageform, sondern eine digitale Vermögensverwaltung. Die Sicherheit hängt nicht von der Technik ab, sondern von den zugrunde liegenden Kapitalmärkten. ETFs können sinnvoll sein, bleiben aber Wertpapierinvestitionen mit Kursrisiken. „Automatisiert“ bedeutet nicht „risikolos“.

Frage:
fintego betont Transparenz durch eine All-in-Fee und den Verzicht auf versteckte Kosten. Ist das ein echter Vorteil?

Bontschev:
Ja, das ist positiv zu bewerten. Eine klare Kostenstruktur erleichtert Vergleichbarkeit. Anleger sollten jedoch genau hinschauen, was in der Gebühr enthalten ist und was nicht – etwa ETF-interne Kosten, Handelskosten oder steuerliche Effekte. Transparenz bei Gebühren ersetzt keine Transparenz bei Risiken.

Frage:
Die Plattform wirbt mit über zehn Jahren Markterfahrung und Auszeichnungen. Wie relevant ist das aus rechtlicher Sicht?

Bontschev:
Auszeichnungen sind Marketinginstrumente und keine Garantie für künftigen Erfolg. Rechtlich entscheidend ist, ob der Anbieter

  • ordnungsgemäß reguliert ist,

  • Kundengelder getrennt verwahrt werden

  • und ob die Beratung bzw. Vermögensverwaltung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Vergangene Wertentwicklungen dürfen nicht als Versprechen verstanden werden – darauf weist fintego selbst korrekt hin.

Frage:
Ein zentraler Punkt ist der sogenannte Quick-Check zur Ermittlung des Risikoprofils. Wie wichtig ist dieser Prozess?

Bontschev:
Extrem wichtig. Die Angemessenheit der Anlagestrategie ist einer der häufigsten Streitpunkte im Schadensfall. Wenn Anleger Fragen ungenau beantworten oder Risiken unterschätzen, kann es später schwierig werden, Ansprüche geltend zu machen. Der Robo Advisor dokumentiert diese Angaben – sie wirken im Zweifel gegen den Anleger.

Frage:
fintego bietet auch nachhaltige ETF-Portfolios (ESG) an. Gibt es hier besondere rechtliche Fallstricke?

Bontschev:
Ja. „Nachhaltig“ ist kein einheitlich geschützter Begriff. Anleger sollten prüfen,

  • nach welchen ESG-Kriterien investiert wird,

  • wer diese definiert

  • und ob Ausschlusskriterien oder Best-in-Class-Ansätze verwendet werden.

Rechtlich zählt nicht das grüne Label, sondern die tatsächliche Zusammensetzung des Portfolios.

Frage:
Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn die Märkte stark einbrechen?

Bontschev:
Marktverluste sind kein Haftungsgrund. Eine Haftung kommt nur in Betracht, wenn

  • das Risikoprofil falsch ermittelt wurde,

  • Anleger nicht ausreichend aufgeklärt wurden

  • oder die Verwaltung gegen vertragliche Vorgaben verstoßen hat.

Ein Robo Advisor nimmt Anlegern Entscheidungen ab – nicht die Verantwortung für Marktrisiken.

Frage:
Für wen eignet sich ein Angebot wie fintego – und für wen eher nicht?

Bontschev:
Geeignet ist es für Anleger, die

  • langfristig investieren,

  • Marktschwankungen aushalten

  • und keine individuelle Einzelberatung benötigen.

Weniger geeignet ist es für Menschen mit kurzfristigem Anlagehorizont, geringem Risikoverständnis oder der Erwartung „stetiger Erträge“.

Frage:
Ihr Fazit in einem Satz?

Bontschev:
Robo Advisor wie fintego können ein sinnvoller Baustein sein – aber sie ersetzen weder Finanzbildung noch die Bereitschaft, Verluste auszuhalten.

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