Startseite Allgemeines „Anleger sollten sich der Risiken bewusst sein“ – Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zum Angebot der Stadtwerke Schwäbisch Hall
Allgemeines

„Anleger sollten sich der Risiken bewusst sein“ – Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zum Angebot der Stadtwerke Schwäbisch Hall

styles66 (CC0), Pixabay
Teilen

nterviewer: Frau Bontschev, die Stadtwerke Schwäbisch Hall bieten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich finanziell an einem neuen Solarpark zu beteiligen. Was halten Sie grundsätzlich von solchen Modellen?

Kerstin Bontschev: Grundsätzlich sind Bürgerbeteiligungsmodelle an erneuerbaren Energien eine spannende Möglichkeit, aktiv zur Energiewende beizutragen und gleichzeitig eine finanzielle Rendite zu erzielen. Sie ermöglichen es Bürgern, direkt in nachhaltige Projekte zu investieren, was gerade in Zeiten steigender Energiepreise und eines wachsenden Umweltbewusstseins sehr attraktiv sein kann.

Interviewer: Das Angebot erfolgt über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen. Welche Risiken birgt diese Finanzierungsform?

Kerstin Bontschev: Das qualifizierte Nachrangdarlehen ist ein Finanzierungsinstrument, das Anlegern keine klassische Sicherheit bietet. Im Klartext bedeutet das: Sollte die Bürgerenergie Kesseläcker in finanzielle Schwierigkeiten geraten oder Insolvenz anmelden, stehen die Anleger ganz hinten in der Reihe der Gläubiger. Erst wenn alle anderen Forderungen – etwa von Banken oder Lieferanten – bedient wurden, bekommen Nachrangdarlehensgeber ihr Geld zurück, falls überhaupt noch Kapital vorhanden ist. Im schlimmsten Fall kann das gesamte eingesetzte Kapital verloren gehen.

Interviewer: Im Angebot heißt es, dass die Verzinsung beginnt, sobald das Geld eingegangen ist – unabhängig von den Erträgen der Anlage. Ist das ein Vorteil für die Anleger?

Kerstin Bontschev: Auf den ersten Blick klingt das natürlich attraktiv, weil Anleger scheinbar eine garantierte Verzinsung erhalten. Doch hier muss man genau hinschauen: Wer trägt das Risiko, wenn die Solaranlage nicht die erwarteten Einnahmen bringt? Da es sich um ein Nachrangdarlehen handelt, wird die Verzinsung zwar versprochen, aber sie kann im Ernstfall ausgesetzt werden, wenn es wirtschaftlich nicht möglich ist, die Zahlungen zu leisten. Anleger sollten sich bewusst sein, dass es keine gesetzliche Einlagensicherung oder sonstige Absicherung gibt, wie es beispielsweise bei einem Bankkonto der Fall wäre.

Interviewer: Gibt es spezielle Risiken, die bei Solarprojekten beachtet werden müssen?

Kerstin Bontschev: Ja, definitiv. Solarprojekte sind von mehreren Faktoren abhängig, die sich nicht direkt beeinflussen lassen:

  1. Wetter und Sonneneinstrahlung: Wenn die Sonneneinstrahlung geringer ausfällt als prognostiziert, könnten die Erträge niedriger sein als erwartet.
  2. Strompreise: Obwohl die Einspeisevergütung in Deutschland relativ stabil ist, können sich Änderungen in der gesetzlichen Förderung oder auf dem Strommarkt negativ auf die Rentabilität auswirken.
  3. Betriebskosten: Unvorhergesehene Wartungskosten oder Reparaturen können die Wirtschaftlichkeit belasten.
  4. Politische und regulatorische Änderungen: Änderungen in der Gesetzgebung oder Steuerpolitik könnten die Rahmenbedingungen für die Bürgerenergiegesellschaft verschlechtern.

Interviewer: Das Interesse an der Beteiligung scheint dennoch groß zu sein. Die vorherigen Projekte waren schnell ausverkauft. Sollte das die Anleger beruhigen?

Kerstin Bontschev: Das hohe Interesse zeigt vor allem, dass viele Bürger gerne in nachhaltige Projekte investieren möchten. Aber nur weil ein Projekt schnell vergriffen ist, bedeutet das nicht automatisch, dass es keine Risiken birgt. Viele Privatanleger unterschätzen das Risiko von Nachrangdarlehen, weil sie sich durch die Nachhaltigkeit des Projekts in Sicherheit wiegen. Es ist wichtig, sich nicht allein vom Trend leiten zu lassen, sondern eine fundierte Entscheidung auf Basis der eigenen Risikobereitschaft zu treffen.

Interviewer: Welche konkreten Tipps haben Sie für Anleger, die überlegen, in den Solarpark zu investieren?

Kerstin Bontschev:

  1. Nur Geld investieren, dessen Verlust man verkraften kann: Da es sich um ein Nachrangdarlehen ohne Sicherheiten handelt, sollte das eingesetzte Kapital nicht aus dem Ersparten für Notfälle stammen.
  2. Angebotsunterlagen genau prüfen: Anleger sollten sich das Kleingedruckte genau ansehen und hinterfragen, welche Risiken konkret beschrieben werden.
  3. Vergleich mit anderen Anlageformen: Es lohnt sich, die erwartete Rendite mit anderen nachhaltigen Investments zu vergleichen, um zu sehen, ob das Risiko angemessen ist.
  4. Langfristigkeit bedenken: Das Darlehen läuft bis 2032 – Anleger sollten sicherstellen, dass sie auf das investierte Geld über diesen Zeitraum verzichten können.
  5. Regelmäßige Überprüfung der wirtschaftlichen Lage des Betreibers: Auch nach der Investition sollte man verfolgen, wie sich das Projekt entwickelt und ob es Anzeichen für finanzielle Schwierigkeiten gibt.

Interviewer: Abschließend – ist das Angebot der Stadtwerke Schwäbisch Hall grundsätzlich empfehlenswert?

Kerstin Bontschev: Das hängt ganz von der individuellen Risikobereitschaft der Anleger ab. Wer ein Herz für erneuerbare Energien hat, das Projekt unterstützen möchte und bereit ist, ein gewisses Verlustrisiko einzugehen, kann hier durchaus investieren. Wer jedoch eine sichere Geldanlage mit garantierter Rückzahlung sucht, sollte sich nach Alternativen umsehen.

Interviewer: Frau Bontschev, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!

Kerstin Bontschev: Sehr gerne!

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

Wenn Bewertungen zur Belastung werden: Unternehmen im Kampf gegen digitale Rufschädigung

Google-Bewertungen und Suchergebnisse sind für viele Unternehmen ein zweischneidiges Schwert: Einerseits bieten...

Allgemeines

Nick Reiner wegen Mordes an seinen Eltern Rob und Michele Reiner angeklagt – Anwalt spricht von „verheerender Tragödie“

Nach dem schockierenden Doppelmord an dem bekannten Regisseur Rob Reiner und seiner...

Allgemeines

FBI-Vizedirektor Dan Bongino kündigt Rücktritt an – Rückkehr ins Mediengeschäft erwartet

Dan Bongino, stellvertretender Direktor des FBI, hat seinen Rücktritt für Januar 2026...

Allgemeines

Jeffrey-Epstein-Files: Neue Enthüllungen, alte Fragen – USA veröffentlicht weitere Dokumente

Sechs Jahre nach dem Tod des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein reißt die...