In Tirana, der Hauptstadt Albaniens, ist am Montag ein Richter während einer laufenden Gerichtsverhandlung erschossen worden. Der Angreifer eröffnete das Feuer mitten im Sitzungssaal des Berufungsgerichts. Der Richter, Astrit Kalaja, erlag wenig später auf dem Weg ins Krankenhaus seinen Verletzungen.
Nach Angaben der Behörden wurden zudem zwei weitere Personen, ein Vater und sein Sohn, die an dem Verfahren beteiligt waren, angeschossen, ihre Verletzungen seien jedoch nicht lebensbedrohlich. Bei dem Täter handelt es sich um einen 30-jährigen Mann, den die Polizei mit den Initialen „E. Sh.“ identifizierte – albanische Medien nennen ihn beim Namen: Elvis Shkëmbi.
Tatmotiv: Angst vor Prozessverlust
Laut lokalen Medienberichten soll der mutmaßliche Täter das Feuer eröffnet haben, weil er befürchtete, den Prozess zu verlieren. In dem Verfahren ging es um einen immobilienrechtlichen Streit. Neben dem Schützen wurden auch sein Onkel sowie ein Sicherheitsbeamter des Gerichts festgenommen – offenbar, weil sie in die Tat verwickelt gewesen sein könnten.
Entsetzen in Politik und Justiz
Albaniens Premierminister Edi Rama zeigte sich tief betroffen und sprach der Familie des Opfers sein Beileid aus. Er nannte den Angriff „eine brutale Attacke auf die Justiz“ und forderte eine „äußerst harte Bestrafung des Täters“. Zudem verlangte Rama eine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in allen Gerichten des Landes sowie strengere Strafen für illegalen Waffenbesitz.
Auch Oppositionsführer Sali Berisha reagierte bestürzt. Er sprach von einem „traurigen Tag für Albanien“ und betonte, es sei das erste Mal seit 35 Jahren, dass ein Richter während der Ausübung seines Amtes ermordet worden sei.
Staatsanwaltschaft fordert Konsequenzen
Der albanische Generalstaatsanwalt Olsian Çela erklärte, das Verbrechen treffe „das Fundament des Rechtsstaats“ und sei ein Angriff auf die Funktionsfähigkeit der Justiz. Die Sicherheit der Richter müsse künftig „in jeder Hinsicht verbessert werden“, forderte er.
Hintergrund: Waffen und Gewalt im öffentlichen Raum
Laut einem UN-gestützten regionalen Bericht hat Albanien in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 die meisten Schusswaffenvorfälle in der Öffentlichkeit unter den Balkanstaaten verzeichnet – insgesamt 43 Fälle von bewaffneten Streitigkeiten in der Öffentlichkeit. Dennoch sei die Zahl leicht rückläufig im Vergleich zum Vorjahr.
Richter Kalaja war über 30 Jahre in der Justiz tätig und seit 2019 am Berufungsgericht Tirana. Der Mord an ihm löst in Albanien eine nationale Debatte über Sicherheit, Gewalt und das Vertrauen in die Justiz aus. Premier Rama sprach von einem Moment, „in dem das Land innehalten und die Schwächen seines Systems offen ansprechen muss“.
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