Startseite Allgemeines 80 Jahre Süddeutsche Zeitung – Ein Leitmedium zwischen Tradition und Transformation
Allgemeines

80 Jahre Süddeutsche Zeitung – Ein Leitmedium zwischen Tradition und Transformation

Andrys (CC0), Pixabay
Teilen

Heute, am 6. Oktober 2025, feiert die Süddeutsche Zeitung (SZ) ihr 80-jähriges Bestehen – und blickt dabei auf eine bewegte Geschichte zwischen publizistischer Verantwortung und wirtschaftlichem Wandel zurück. Während die Redaktion an ihre Rolle als Hüterin der Meinungsfreiheit erinnert, steht sie wie viele andere Medienhäuser unter massivem Druck: sinkende Auflagen, rückläufige Werbeeinnahmen, Stellenabbau – und eine Medienwelt, die sich durch Künstliche Intelligenz grundlegend verändert.

Von der Lizenzzeitung zur Stimme der Demokratie

Am 6. Oktober 1945 erschien die erste Ausgabe der Süddeutschen Zeitung – als erste freie Zeitung nach zwölf Jahren Diktatur, genehmigt von den amerikanischen Besatzungsbehörden in Bayern.
Chefredakteur Wolfgang Krach betont im Gespräch mit BR24 Medien:

„Das war die erste freie Zeitung nach zwölf Jahren Diktatur. Das heißt für mich schon, dass wir eine besondere Verpflichtung haben.“

Gemeint ist die Verpflichtung, Meinungsfreiheit und Demokratie zu verteidigen, ohne in Aktivismus zu verfallen. Journalismus, so Krach, müsse immer sauber trennen zwischen Bericht und Kommentar.

Ein starkes Symbol prägt bis heute die Geschichte des Hauses: Die Druckplatten für die erste Ausgabe wurden aus eingeschmolzenen Bleisätzen von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ gegossen – ein bewusster Akt des Neubeginns.

 Ökonomischer Druck – Wandel im Redaktionsalltag

Wie viele Medienhäuser kämpft auch die SZ mit tiefgreifenden strukturellen Problemen.
Die Printauflage ist seit 2017 um mehr als 100.000 Exemplare gesunken – auf aktuell rund 250.000 Stück. Sinkende Anzeigenumsätze verschärfen die Lage. In den vergangenen Jahren wurden mehrfach Stellen gestrichen, zuletzt rund 30 Vollzeitstellen im Jahr 2024.
Der Betriebsrat sprach damals von einem Vorgehen „mit der Kettensäge“.

Klaus Meier, Journalistik-Professor an der Uni Eichstätt-Ingolstadt, warnt vor einem „Braindrain“: Zahlreiche profilierte Journalistinnen und Journalisten hätten das Haus verlassen.

Chefredakteurin Judith Wittwer sieht die Entwicklung positiver. Sie verweist auf neue digitale Projekte und Wachstumsbereiche:

„Wir haben viel verändert, aufgebaut und an anderen Stellen verkleinert. Es geht uns journalistisch wie ökonomisch gut – wir finanzieren uns durch Verkäufe und Abos, ohne Anzeigen.“

Weniger Lokalredaktionen – mehr Zentralisierung

Um Kosten zu senken, hat die SZ auch im Lokalen umgebaut. Außenredaktionen im Münchner Umland wurden verkleinert oder zusammengelegt, die Lokalseiten – etwa für Dachau oder Ebersberg – erscheinen seltener oder in kleinerem Umfang.
Krach betont jedoch:

„Wir haben nirgendwo die Lokalberichterstattung eingestellt. Wir haben Printausgaben zusammengelegt.“

Trotzdem sehen viele Medienschaffende darin ein Beispiel für den Strukturwandel der Branche – weg von der Fläche, hin zur Zentralisierung.

 KI, Tech-Konzerne und die Zukunft der Pressefreiheit

Die Herausforderungen gehen weit über Finanzen hinaus.
Tech-Konzerne kontrollieren große Teile des digitalen Werbemarkts, während Künstliche Intelligenz den Journalismus neu definiert. Automatisch generierte Texte, synthetische Stimmen und algorithmische Reichweitensteuerung verändern die Art, wie Nachrichten entstehen und konsumiert werden.

Die SZ versucht, diesen Wandel aktiv zu gestalten – durch eigene KI-Projekte, Investigativ-Recherchen und datenjournalistische Innovationen. Doch die zentrale Frage bleibt: Wie lässt sich Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter finanzieren und schützen?

80 Jahre später – eine Zeitung im Wandel

Acht Jahrzehnte nach ihrer Gründung steht die Süddeutsche Zeitung sinnbildlich für die Spannung zwischen Tradition und Transformation.
Sie bleibt eine der wichtigsten publizistischen Stimmen Deutschlands – kritisch, unabhängig, meinungsstark. Doch ihr Jubiläum erinnert auch daran, dass selbst ein Leitmedium seine Zukunft immer wieder neu erfinden muss.

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Allgemeines

Helmut Marko packt aus – und zwar richtig: Von Espressi, Intrigen und britischer Höflichkeit

Wenige Tage nach seinem spektakulären Rücktritt bei Red Bull hat Formel-1-Legende Helmut...

Allgemeines

Epstein-Skandal: Ex-Obama-Anwältin Kathy Ruemmler gerät unter Druck – trotz Goldman-Sachs-Posten

Die Enthüllungen rund um Jeffrey Epstein reißen nicht ab – und mit...

Allgemeines

„Transparenz vor Investment“ – Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zur Sanierung von The Natural Gem GmbH

Redaktion: Frau Bontschev, laut Pressemitteilung ist die Sanierung der Wiener The Natural...

Allgemeines

Aktien oder Eigenheim: Was ist die bessere Investition?

Steigende Immobilienpreise lassen viele glauben, dass der Kauf eines Hauses genauso lukrativ...