Die Zukunft von 30 Belugawalen im kanadischen Freizeitpark Marineland steht auf der Kippe. Nachdem das Unternehmen scheiterte, eine Ausfuhrgenehmigung für den Verkauf der Tiere nach China zu erhalten, droht es nun mit einem drastischen Schritt: der Einschläferung der Meeressäuger. Tierschützer, Experten und Behörden suchen fieberhaft nach Auswegen – doch eine einheitliche Lösung ist nicht in Sicht.
Freizeitpark mit dunkler Geschichte
Marineland, nahe der Niagarafälle gelegen, galt jahrzehntelang als beliebtes Ausflugsziel für Familien. Hinter Delfinshows und Wasserrutschen verbarg sich jedoch eine problematische Realität: Berichte über mangelhafte Tierhaltung, Todesfälle und finanzielle Probleme häuften sich in den letzten Jahren.
Seit 2020 haben die Tierschutzbehörden der Provinz Ontario den Park laut CBC News über 200 Mal inspiziert. Der Druck auf den Betreiber stieg, als Kanada 2019 ein Gesetz verabschiedete, das die Haltung von Walen, Delfinen und Schweinswalen in Gefangenschaft verbietet – allerdings mit Bestandsschutz für bereits gehaltene Tiere.
Genehmigung verweigert – Einschläferung als Drohkulisse?
Angesichts sinkender Besucherzahlen und hoher Kosten versuchte Marineland, die 30 Belugas an einen chinesischen Themenpark in Zhuhai zu verkaufen. Doch die zuständige Bundesministerin für Fischerei, Joanne Thompson, lehnte das Gesuch ab: Die Haltung der Tiere zu Unterhaltungszwecken sei auch dort nicht artgerecht.
Kurz darauf wandte sich Marineland mit einer überraschenden Drohung an die Regierung: Man könne die Belugas „notfalls einschläfern“, wenn keine Lösung gefunden werde – und forderte gleichzeitig staatliche Unterstützung für die weitere Versorgung der Tiere. In einem Schreiben an das Ministerium hieß es, das Schicksal der Wale sei „eine direkte Folge der Entscheidung der Ministerin“.
Die Antwort der Bundesregierung ließ nicht lange auf sich warten. In einem Schreiben, das der BBC vorliegt, weist Ministerin Thompson die Verantwortung zurück: „Dass Marineland in all den Jahren keine tragfähige Alternative entwickelt hat, verpflichtet die Bundesregierung nicht zur Kostenübernahme.“
Mehr als 20 Wale bereits gestorben
Seit 2019 sind laut Canadian Press mindestens 20 Wale im Park gestorben – darunter ein Orca und 19 Belugas. Zwar beteuert das Unternehmen, die Tiere seien gut behandelt worden und Todesfälle seien Teil des natürlichen Lebenszyklus, doch die Zweifel mehren sich. Ein besonders gravierender Fall von Vernachlässigung führte 2024 zur Verurteilung Marinelands wegen Tierquälerei bei der Haltung von Schwarzbären.
Wohin mit 30 Belugas?
Phil Demers, ein ehemaliger Cheftrainer des Parks und heute scharfer Kritiker, hält die Einschläferungsdrohung für leeres Gerede: „Das ist reine Taktik. Aber die Tiere müssen sofort raus aus diesem Wasser.“ Er schlägt vor, mehrere Zoos und Aquarien in den USA könnten die Tiere aufteilen – eine logistische Herausforderung, aber machbar.
Eine andere Option wäre ein Walschutzgebiet in Nova Scotia, betrieben vom Whale Sanctuary Project. Doch auch dort gibt es Einschränkungen: Das Refugium wird frühestens im Sommer 2026 fertig, und es könnten höchstens acht bis zehn Wale aufgenommen werden, so Geschäftsführer Charles Vinick.
Ruf nach staatlichem Eingreifen wird lauter
Tierschutzorganisationen fordern nun entschlossenes Handeln der Provinzregierung. Ontario habe laut Tierschutzgesetz die Möglichkeit, Tiere in Not zu beschlagnahmen und selbst für ihre Unterbringung zu sorgen. Colin Saravanamuttoo von World Animal Protection Canada fordert Premier Doug Ford zum Handeln auf: „Dieses Spiel auf Zeit zwischen Marineland, der Provinz und Ottawa ist nicht mehr hinnehmbar. Die Verantwortung liegt bei Ontario.“
Die Whale and Dolphin Conservation fordert zudem eine unabhängige tierärztliche Begutachtung jedes einzelnen Belugas, um sicherzustellen, dass „alle eine humane und artgerechte Lösung erhalten“.
Die Regierung von Premier Ford hat bislang nicht auf Anfragen reagiert.
Die Zeit läuft davon
Zwar halten viele Expertinnen und Experten die Androhung der Einschläferung weiterhin für ein Druckmittel, doch die Unsicherheit bleibt – und die Zeit wird knapp. Ein tragfähiger Rettungsplan muss bald her, damit die Tiere nicht zu weiteren Opfern eines maroden Freizeitparks werden.
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