Im Jahr 2026 feiert die Vereinigte Staaten ihr 250-jähriges Bestehen – ein Vierteljahrtausend seit der Unabhängigkeitserklärung. Es ist ein Moment des Innehaltens für ein Land, das nie stillstand. Amerika war von Anfang an weniger ein Ziel als vielmehr ein Weg: ein ständiger Aufbruch, ein Experiment, eine Reise – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.
Vom Küstenstreifen zum Kontinent
Aus dreizehn verstreuten Kolonien an der Atlantikküste wurde eine Nation mit 50 Bundesstaaten und über 340 Millionen Menschen, die sich über einen ganzen Kontinent erstreckt. Die Wege, die diese Transformation ermöglichten, sind tief in der amerikanischen Erinnerung verankert: Paul Reveres nächtlicher Ritt, der Fluchtweg der Sklaven über die Underground Railroad oder der Zug gen Westen auf dem Oregon Trail.
Doch Amerikas Reise war nie nur geografisch. Es war auch eine soziale, kulturelle und politische Bewegung – von einer Nation, in der anfangs nur wohlhabende weiße Männer wählen durften, hin zu einem Land, das einen Schwarzen Präsidenten wählte, eine Frau zur Sprecherin des Repräsentantenhauses machte und nicht-weiße Richter in den Obersten Gerichtshof berief.
Eine Geschichte voller Konflikte
Die Vereinigten Staaten sind heute eine der ältesten Demokratien der Welt – und zugleich ein fortlaufendes Experiment. Schon die Gründerväter waren sich nicht einig, als sie 1776 die Unabhängigkeit erklärten. Im 19. Jahrhundert spaltete die Frage der Sklaverei das Land und führte in den blutigen Bürgerkrieg. Das 20. Jahrhundert brachte Einigkeit im Zweiten Weltkrieg – und tiefe Spaltung im Vietnamkrieg.
Und heute? Auch heute ist das Land gespalten: über Rechte, Gerechtigkeit, Zugehörigkeit – und darüber, wer am Ende entscheidet.
Zehn Präsidenten im persönlichen Gespräch
In meiner journalistischen Laufbahn hatte ich das Privileg, mit zehn US-Präsidenten zu sprechen – sieben von ihnen noch während ihrer Amtszeit. Vom strategisch-schweigsamen Nixon über den charismatischen Reagan, den optimistischen Clinton bis zum polarisierenden Trump – jeder brachte seine Vision, seine Widersprüche, seine Zeitgeschichte mit ins Amt.
Einige waren von Skandalen gezeichnet. Ich traf Nixon 1984, als er versuchte, nach Watergate seinen Ruf wiederherzustellen. Clinton begegnete ich 1999 an Bord der Air Force One, wenige Monate nach seinem Amtsenthebungsverfahren. Trotz allem sprach er mit Elan über seine Reformpläne für das Gesundheitssystem – die er nie umsetzen konnte.
Was viele dieser Männer einte, war ein unerschütterlicher Glaube an ihren Kurs – und an die Idee, dass sie mit etwas mehr Zeit und Reichweite die Geschichte hätten wenden können.
Macht, Müdigkeit und Mission
Manche wie Trump oder Clinton hätten wohl gerne eine dritte Amtszeit gehabt, wäre es erlaubt gewesen. Andere – wie George W. Bush – waren nach zwei Amtszeiten spürbar erschöpft. In meinem Abschiedsinterview 2009 gab er offen zu, das Gewicht der Verantwortung weiterreichen zu wollen – nach Jahren voller Krisen: 9/11, Irakkrieg, Finanzkrise.
Präsidenten, so unterschiedlich sie sein mögen, teilen oft ähnliche Erfahrungen: Sie sind ehrgeizig, belastbar, hartnäckig – und fühlen sich oft ungerecht behandelt von der Presse. Doch fast alle kamen mit einer Vision ins Amt. Nur: Diese Visionen kollidieren zunehmend. Was ist Amerika? Und wessen Amerika?
Eine zerrissene Nation im Jahr 2025
Die letzten drei Präsidentschaftswahlen haben gezeigt: Das Land ist tief gespalten. Die Debatten über Einwanderung, Geschlechtergerechtigkeit, Polizeigewalt, Verfassungsinterpretationen oder Machtbalance sind erbittert. Viele glauben, eine neue Art „Bürgerkrieg“ zeichne sich am Horizont ab – nicht mit Waffen, aber mit Worten, Gesetzen, Medien und digitalen Fronten.
Dabei ist diese Phase keine Ausnahme: Schon Franklin D. Roosevelt wurde für seinen Führungsstil im New Deal heftig kritisiert. Die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre erschütterte das politische Gefüge ebenso wie der Vietnamkrieg die Generationenbeziehungen.
Und doch – sie bewegt sich
All diese Spannungen zeigen nicht das Ende der Demokratie, sondern oft ihren intensivsten Ausdruck. Immer dann, wenn die Angst vor dem Scheitern der amerikanischen Idee am größten war, entfaltete sie auch die größte Energie zur Erneuerung.
Alles Gute zum 250. Geburtstag, Amerika. Möge deine Reise weitergehen – mit Mut, mit Zweifeln, mit Hoffnung.
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