Knapp dreieinhalb Monate nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler steht Friedrich Merz zunehmend unter Beobachtung – insbesondere seitens der Wirtschaft, die bislang wenig von den angekündigten Reformen spürt. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zog eine kritische Zwischenbilanz. Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz erklärte im Gespräch mit dem MDR, Deutschland verliere weiterhin an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig steige die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, was für viele Betriebe eine ernste Gefahr darstelle.
Völz forderte von der Regierung einen spürbaren Kurswechsel: Vor allem der Abbau von Bürokratie müsse jetzt Priorität haben, ebenso wie gezielte Entlastungen bei Energie- und Arbeitskosten. Diese beiden Kostenfaktoren seien laut Völz zentrale Standortrisiken, die Investitionen hemmen und die Innovationskraft vieler Firmen schwächen. Zudem brauche es schnellere Genehmigungsverfahren und weniger regulatorische Hürden, damit Unternehmen handlungsfähig bleiben.
Auch aus den Reihen der Politik kommt Kritik – wenn auch in anderer Tonlage. Unionsfraktionschef Jens Spahn mahnte die schwarz-rote Koalition zu mehr Geschlossenheit und politischem Pragmatismus. „Das Bündnis muss verstehen, was man sich gegenseitig zumuten kann – und was nicht“, so Spahn. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten sei es wichtig, Streitigkeiten zu minimieren und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Die ersten 100 Tage von Kanzler Merz, der im Wahlkampf mit klaren Versprechen zu wirtschaftlicher Stabilisierung, Steuersenkungen und einer Stärkung des Mittelstands aufgetreten war, gelten Beobachtern zufolge bislang als zurückhaltend in der Umsetzung. Während die Regierung intern mit Prioritätensetzung und Abstimmungsprozessen beschäftigt ist, wächst der Druck von außen – sowohl von Unternehmerverbänden als auch von internationalen Investoren, die auf ein verlässliches Signal aus Berlin warten.
Sollte es Merz und seinem Kabinett nicht gelingen, in den kommenden Monaten spürbare Fortschritte zu erzielen, könnte sich das Image eines „zögerlichen Starts“ verfestigen – mit möglichen Folgen für das Vertrauen in seine wirtschaftspolitische Führungskraft.
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