Kinder mit weißen Talaren bei der Abschlussfeier, Familienfotos bei Hochzeiten, Geburtstagskuchen mit riesiger Zuckerglasur – all diese Erinnerungen stammen aus einem ganz bestimmten Umfeld: amerikanische Motels im Besitz indischstämmiger Familien.
Diese Szenen aus der Kindheit von Amar Shah bilden das Herzstück eines neuen Kurzfilms mit dem Titel „The Patel Motel Story“, der im Juni beim Tribeca Festival Premiere feierte und derzeit auf Festivals in den USA gezeigt wird.
Vom Kind im Kassenbereich zum Filmemacher
Shah, heute 45 Jahre alt, wuchs in einer indisch-amerikanischen Unternehmerfamilie auf: Seine Eltern führten Tankstellen und kleine Geschäfte, viele Verwandte besaßen Motels.
„Ich habe das als harte, körperliche Arbeit gesehen und mich ein wenig dafür geschämt“, sagt Shah rückblickend.
Heute sieht er das anders – und möchte mit seinem Film anderen einen neuen Blick auf diese bislang wenig bekannte Geschichte ermöglichen.
Der Film beginnt mit einer verblüffenden Statistik:
„Obwohl wir nur 1 % der US-Bevölkerung ausmachen, besitzen wir über 60 % aller Hotels und Motels – vom kleinen Motel am Straßenrand bis hin zu Luxushäusern wie dem Four Seasons.“
Was früher für Shah nur der Hintergrund seiner Kindheit war, entpuppt sich nun als Symbol für unternehmerischen Erfolg, kulturellen Zusammenhalt und Einwanderermut.
„Der größte Name im Hotelgewerbe ist nicht Hilton oder Marriott – es ist Patel“
So lautet eine Zeile im Presseheft des Films. Tatsächlich haben Mitglieder der Asian American Hotel Owners Association (AAHOA) über 33.000 Hotels im Besitz – und beschäftigen Millionen von Menschen.
Auch wenn indische Hotelbesitzer gelegentlich in Popkultur auftauchen (etwa bei Hasan Minhaj in seinem Netflix-Programm oder in Studien), bleibt ihre Geschichte oft unsichtbar – besonders in Lehrbüchern oder offiziellen Chroniken.
„Wir haben in der Schule über die Mayflower gelernt – aber nicht über unsere Eltern“, sagt Milan Chakraborty, einer der Produzenten des Films.
Wie alles begann: Auf Spurensuche beim „Super Bowl der Hotelbranche“
Die Filmemacher wollten herausfinden: Wie hat diese Entwicklung begonnen?
Antworten suchten sie beim jährlichen AAHOA-Kongress – eine Mischung aus Fachmesse, politischem Forum und traditioneller indischer Hochzeit. Dort trafen sie auf Dutzende Hotelbesitzer – mit teils bewegenden Familiengeschichten.
Doch eine zentrale Figur blieb zunächst rätselhaft: Kanji Manchhu Desai, ein aus Gujarat stammender Einwanderer, der 1934 aus Trinidad in die USA kam – zunächst als fliegender Händler, später als illegaler Einwanderer, der sich mit harter Arbeit in Kalifornien durchschlug.
Desais Name tauchte mehrfach auf, doch erst durch die Recherchen des Historikers Mahendra K. Doshi, Autor des Buches „Surat to San Francisco“, wurde das ganze Ausmaß seiner Rolle deutlich.
Desai arbeitete während des Zweiten Weltkriegs in einem Hotel, das von einer japanisch-amerikanischen Eigentümerin verlassen werden musste, weil sie in ein Internierungslager gebracht wurde.
Nach Kriegsende pachtete er ein eigenes Hotel in San Francisco – das Hotel Goldfield – und half dort zahlreichen Neuankömmlingen aus Indien beim Start ins neue Leben. Sein berühmter Ratschlag:
„Wenn du ein Patel bist, pachte ein Hotel.“
Eine Erfolgsgeschichte über Generationen hinweg
So kam auch die Familie von Jyoti Sarolia in die USA – ermutigt durch einen Brief von Desai. Heute führt sie mit ihrer Mutter acht Hotels unter dem Namen Ellis Hospitality Group.
„Wenn sich unsere Familie heute trifft, dann sind das 400 Leute – verteilt auf vier Generationen im Hotelgeschäft“, sagt Sarolia. Ihre Kindheit beschreibt sie so:
„Mit neun habe ich das Telefon abgenommen, mit elf Bettwäsche gewechselt und mit vierzehn konnte ich ein ganzes Hotel allein führen.“
Neben harter Arbeit habe es aber auch schöne Seiten gegeben: „Die langen Flure waren wie ein Spielplatz. Ich habe dort Fahrradfahren gelernt.“
Ein vergessenes Kapitel der amerikanischen Einwanderung
Für Shah wurde die Arbeit an dem Film zu einer Reise zu seinen Wurzeln.
„Als Kind wollte ich damit nichts zu tun haben“, sagt er. „Aber jetzt, wo ich älter bin, verstehe ich, welchen Mut und welche Opfer es brauchte, um das alles aufzubauen.“
Gemeinsam mit seinen Co-Regisseuren Rahul Rohatgi und Produzent Milan Chakraborty hat er vier Jahre lang recherchiert und Dutzende Interviews geführt.
Doch „The Patel Motel Story“ ist erst der Anfang:
„Unsere Eltern werden älter. Es ist Zeit, ihre Geschichten festzuhalten – sie sind weit außergewöhnlicher, als wir dachten“, sagt Shah.
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