Waschbären, liebevoll auch „Müllpandas“ genannt, könnten schon bald einen festen Platz als Haustiere in amerikanischen Haushalten einnehmen. Die schwarzmaskierten Säugetiere, bekannt für ihre nächtlichen Streifzüge durch Mülltonnen, verändern sich – und das im direkten Kontakt mit dem Menschen. Laut einer neuen Studie entwickeln sie sogar niedlichere Züge.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten fast 20.000 Fotos und stellten dabei fest: Stadtwaschbären haben im Vergleich zu ihren Artgenossen auf dem Land deutlich kürzere Schnauzen. Diese Veränderung ist typisch für die Frühphase der Domestizierung – ähnlich wie sie bei Hunden oder Katzen beobachtet wurde.
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Einige Waschbären, die als Haustiere gehalten werden, sind bereits kleine Internet-Berühmtheiten geworden. Ein besonders mutiger Vertreter sorgte 2024 für Aufsehen, als er während eines Major-League-Soccer-Spiels in Philadelphia quer über das Spielfeld rannte – sehr zur Belustigung der Zuschauer.
Waschbären, oft auch als „Hinterhof-Banditen“ bezeichnet, sind heute in fast allen Regionen der zusammenhängenden Vereinigten Staaten anzutreffen. Ihre Fähigkeit, sich sowohl in der Wildnis als auch in Städten erfolgreich zu behaupten, hat ihnen eine doppelte Rolle eingebracht: In manchen Vierteln gelten sie als charmante Mitbewohner, in anderen als lästige Plagegeister.
Weniger Fluchtverhalten, mehr Anpassung
Laut der in Frontiers in Zoology veröffentlichten Studie könnte die zunehmende Nähe zum Menschen darauf hindeuten, dass Waschbären sich langsam an uns gewöhnen. Biologisch betrachtet spricht man hier von einer „gedämpften Fluchtreaktion“.
Die Forscher gehen davon aus, dass die sanfteren Gesichtszüge auf zelluläre Veränderungen im Zusammenhang mit dem Stressverhalten zurückzuführen sind – ein möglicher erster Schritt hin zur Domestizierung.
„Der Anfang dieses Prozesses ist buchstäblich der Müll“, erklärt Studien-Mitautorin Raffaela Lesch von der University of Arkansas gegenüber Scientific American. „Wo Menschen sind, gibt es Müll – und Tiere lieben unseren Müll.“
Doch wer als Wildtier in der Nähe von Menschen überleben will, braucht die richtige Mischung: mutig genug, um in Mülltonnen zu wühlen, aber nicht so forsch, dass er zur Gefahr wird. „Ein Tier, das nah am Menschen lebt, muss sich gut benehmen“, so Lesch. „Der Selektionsdruck ist enorm.“
Von der Wildnis zum Wohnzimmer?
Die beobachteten Veränderungen passen zum sogenannten „Domestikationssyndrom“. Dabei handelt es sich um ein Muster anatomischer und verhaltensbezogener Merkmale, die bei domestizierten Tieren häufig auftreten – etwa kürzere Schnauzen, kleinere Gehirne, depigmentierte Fellstellen, hängende Ohren oder geringere Fluchtdistanzen.
Solche Merkmale sind auch bei bekannten Haustieren wie Hunden zu beobachten, die einst von Wölfen abstammten.
Interessant ist auch die These der Studienautoren, dass die Domestizierung nicht – wie oft angenommen – vom Menschen ausgeht. Vielmehr könnte sie bereits früher einsetzen, wenn Tiere beginnen, sich an menschliche Lebensräume anzupassen. Der eigentliche Auslöser sei dann keine gezielte Züchtung, sondern natürliche Selektion.
„Nur Tiere mit abgeschwächter Kampf- oder Fluchtreaktion setzen sich langfristig durch“, schreiben die Autoren. Die ersten Schritte in Richtung Domestizierung seien also ein ganz natürlicher Prozess – ausgelöst durch das Leben in der Nähe des Menschen.
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